Spurschaden
zögerte nicht, ließ sich von ihm hochziehen. Für lange Sekunden schauten sie sich in die glänzenden Augen. Was Marie nicht wusste, war, dass ihr Gegenüber das sanfte Streichen über sein Haar sehrwohl mitbekommen hatte. Was Thomas Schlund dagegen nicht wusste, war, dass Marie eine Erregung verspürte, die sie innerlich verzehrte und nach mehr zu schreien schien.
»Oh … das ist mir aber peinlich.« Der Kommissar schmunzelte und schaute an ihr herab. »Ich habe Sie wohl während meiner geistigen Abwesenheit etwas intensiver vollgesabbert.« Für einen kurzen Moment erweckte er den Anschein, als wollte er etwas dagegen tun, hielt dann aber inne.
Marie blickte nach unten. »Ist nur oberflächlich – auf der Skihose.«
»Ja, das glaube ich auch. Darunter sind Sie sicher unbefleckt.« Thomas biss sich auf die Lippen. »Entschuldigung, so habe ich das nicht gemeint! Das müssen Sie mir jetzt glauben!« Er rang nach passenden Worten, schaute dabei in ihre großen grünen Augen, deutete vorsichtig ein Lächeln an.
»Ach, kein Problem. Das sind doch die Momente, die das Leben irgendwie lebenswert machen … bei all dem Elend.« Marie erwiderte sein Lächeln, während sie das Nass an ihrer Hose mit einem Stofftaschentuch abwischte.
Thomas stutzte. Das war genau sein Satz. Das war sein Motto, das schon so oft über seine Lippen gekommen war. Und dieses traurige Lächeln. »Mein Gott, ich mag diese Frau!«, dachte er und sehnte sich danach, sie zu duzen. Doch rein beruflich war das hier und jetzt einfach nicht angemessen. Dass heute ihr 20. Geburtstag war, wusste er bereits. Doch hatte er ganz bewusst nicht gratuliert; die Umstände passten einfach nicht.
Der Kommissar bückte sich und Marie tat es ihm nach. Kurz danach lagen die Bilder auf dem Tisch.
»Also mir ist nichts weiter aufgefallen«, sprach Marie leise und rückte den Fotostapel etwas zurecht.
»O.K., vielen Dank. Wir sind hier dann auch fertig. Ich möchte Sie nicht länger belästigen«, antwortete Thomas eher beiläufig und konnte nicht verbergen, dass er sie mit seinen Augen von Kopf bis Fuß eingehend musterte. »Hier ist meine Visitenkarte. Da stehen alle Kontaktdaten drauf. Falls Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bitte. Die kleinste Information kann das entscheidende Puzzlestück sein.«
Marie nickte.
»Ich würde das dann an den entsprechenden Kollegen weiterleiten. Natürlich behalte ich den Fall im Auge, schließlich besteht eine gewisse Verbundenheit zu Ihrem Kloster, auch wenn ich gestehen muss, dass ich seit meiner Kindheit nie mehr hier gewesen war.«
»Mir kam Ihr Nachname gleich irgendwie bekannt vor. Schlund … unser Lieferant ist Ihr Vater, oder?« Maries Augen strahlten eine gewisse Begeisterung aus.
»Ja. Mein Vater.« Thomas hielt kurz inne. »Er hatte am frühen Morgen einen Autounfall. Deshalb bin ich ja auch so schnell hier. Das Eine kam zum Anderen. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut.«
»Da bin ich beruhigt«, sagte Marie sichtlich verstört. »Was ist denn passiert?«
»Ich weiß es nicht. Mein Vater war noch zu schwach zum Reden«, antwortete Thomas nachdenklich.
»Richten Sie ihm bitte aus, dass wir alle für seine schnelle Genesung beten.«
»Das werde ich, danke. Vielleicht kommt ja jemand aus dem Kloster die Tage mal in die Stadt. Er freut sich über Besuch; auch wenn er das abstreitet.« Thomas zwinkerte Marie zu, streckte ihr seine Hand entgegen.
Marie umschloss diese mit schwachem Druck und fragte leise: »Wir finden die Kinder, oder?«
»Ja! Das müssen wir! Wie ich allerdings vorhin gehört habe, muss die Suche leider kurzzeitig eingestellt werden; es geht nicht anders. Das Schneetreiben ist zu stark. Man sieht nichts. Hinzu kommt der starke Wind. Da können nur speziell ausgerüstete Experten längere Zeit draußen bleiben – und die sind noch nicht eingetroffen.« Der Kommissar schaute Marie fest in die Augen. »Die Kinder haben sich vielleicht nur versteckt. Sie haben mir ja erzählt, wie intelligent die beiden sind. Sicher haben sie einen geschützten Unterschlupf. Wir werden auf alle Fälle auch innerhalb der Klostermauern die Suche ausweiten!«
Er begleitete die Novizin zur Tür, legte dabei für einen kurzen Moment seine Hand auf ihren Rücken. »Und danke nochmal für Ihre Hilfe unter dem Schreibtisch.«
7
»Die Kinder haben sich vielleicht nur versteckt«, klang es noch lange in Maries Ohren nach, während sie im leeren Flur an der Wand lehnte, langsam tief ein- und
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