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Spurschaden

Spurschaden

Titel: Spurschaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Halo
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in dem engen Behältnis. Vergessen die Erinnerung an den lange zurückliegenden Kampf ums Überleben unter einer Bettdecke. Hier und jetzt beschäftigte sich sein gesamter Verstand nur mit der Begutachtung komplexer Bilder, die sich vor seinem inneren Auge zu einem logischen Ganzen verbanden. Es kam ihm vor, als könnte er regelrecht durch die Verkleidung der Maschine hindurchschauen. Nur eine pulsierende durchsichtige Haut schien ihn von dem eigentlichen Innenleben zu trennen. Jede noch so kleine Veränderung des Geräuschpegels konnte er gedanklich nachvollziehen, jede damit verbundene Positionierung der einzelnen Elektronenkanonen scheinbar ganz genau bestimmen. Er fühlte es regelrecht, wie sein Körper Schicht für Schicht von der Maschine – von seiner Maschine – erfasst, geröntgt und abgearbeitet wurde.
    Stolz. Das war das überwiegende Gefühl. Gleich danach folgte tiefe Zufriedenheit. Und gerade in dem Moment, als ihm bewusst wurde, dass sein rauschartiges Empfinden keinesfalls normal sein konnte, hörte er es: ein kratzendes, ein schleifendes Geräusch.
    KRRRRREEE … ssssssssdddd … KRRRRREEE.
    Professor Arndts Gehirn leistete Schwerstarbeit. In Gedanken ging er die Konstruktionspläne der Maschine durch. Immer wieder hielt er den Atem an, lauschte. Jede größere Schweißnaht, jede mögliche Schwachstelle rief er sich vor Augen, versuchte sie in eine logische Verbindung mit der Stelle zu bringen, von der dieses schreckliche Geräusch kam. Für einige Sekunden versuchte er sich einzureden, dass das normal war. Dass durch die perfekte Abschirmung von der Außenwelt ein jeder seiner Patienten dieses bisher wahrgenommen, hatte erdulden müssen. Seine Ohrstöpsel saßen passend, das fühlte er, daran lag es nicht. Es war ja auch nicht die Lautstärke – diese blieb deutlich unter der Schmerzgrenze. Nein. Es war dieses Destruktive, Zerstörende, das ihm so zusetzte. Als ob das komplexe Hightechinnenleben regelrecht zerkratzt wurde; ganz langsam und irreparabel.
    KRRRRREEE … ssssssssdddd … KRRRRREEE.
    »Verdammt! Da stimmt was nicht!«, hörte der Professor eine Stimme dumpf in seinem Kopf und erkannte nicht, dass es seine Stimme war. Die Hitze, die sich langsam – vom Becken ausgehend – bis zu den Unterschenkeln ausbreitete, nahm er nicht wahr; auch nicht den typischen Geruch von Urin. Seine volle Konzentration richtete sich nur auf das eine, alles zermürbende Geräusch.
    KRRRRREEE …
    Für einen winzigen Augenblick glaubte er, den möglichen Verursacher des Übels erkannt zu haben: eine Schwachstelle an einem der mechanisch auslösenden Zahnräder des magnetischen Abstandshalters. Der versteckte Bereich, den er von der Liste der regelmäßig zu kontrollierenden Komponenten ganz bewusst ausgeschlossen hatte. Die geheime Erweiterung, von der außer ihm nur Pater Johann Bescheid wusste und die der externe Wartungsingenieur keinesfalls zu Gesicht bekommen durfte.
    »Unmöglich«, dachte er und erinnerte sich an das ausgeklügelte System redundanter Verstärkungshaken.
    KRRRRREEE … ssssssssdddd … KRRRRREEE.
    »Die Omega-Strahlenkranzreihe … oh mein Gott!«
    Und während der Professor begriff, dass diese unkontrollierten Strahlen gerade seine Innereien zerfetzten, öffnete er unbewusst die Augen. Hell, aber nicht blendend war das Licht. Schwach, aber deutlich sein Gedanke: »Ich hab’s verbockt!«
    Doch gerade, als er sich aufgeben wollte, tauchten Erinnerungen auf – hunderte: Das kleine Spielzeugboot, das er sich als Kind mit seinen herzzerreißenden Schreien und einer Flut aus Tränen so bitter erkämpft hatte; der Ausdruck im Gesicht der Bekannten seiner Eltern, als er spätabends völlig nackt aus seinem Kinderzimmer gestürmt kam und wild mit den Armen fuchtelnd um den Esszimmertisch rannte, einen Urschrei ausstieß, um danach wieder umgehend zu verschwinden; das Quietschen seiner Fahrradbremsen, das unüberhörbar, kurz vor Unterrichtsbeginn, im Schulhof so extrem cool klang; das feste und lang anhaltende Umklammern der Brüste seiner Zeltlagerliebe; das beinahe Anfahren eines Besoffenen, der bei Rot über die Straße taumelte und ihn für einen Sekundenbruchteil mit vorwurfsvollem, absolut klarem Gesichtsausdruck anschaute, als ob er sagen wollte: »Was soll denn das?«; das Lächeln seiner Frau; die Geburt seines Kindes. All das und viel mehr erlebte er, während sich eine tiefe Sehnsucht in ihm aufbaute. Nein, er wollte noch nicht gehen, aber er fügte sich – und das Licht half ihm

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