St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
Anzeichen von Freude oder Erleichterung. »Nein! Fort von hier! Flieht!«
Anatole ignorierte ihre Rufe. Er legte sich an den Rand und konzentrierte all seine geistigen Fähigkeiten, bis sie sich wie eine starke Hand um Madelines Arm schlössen. Trotz der rasenden Schmerzen in seinem Kopf ließ er in seinem Bemühen nicht nach und zog die junge Frau herauf, bis sie in die Reichweite seiner Hände gelangte. Als er sie zu packen bekam, zog er sie rasch höher und rollte sie schließlich über den Rand. »Anatole! Achtung!«
Er spürte die Mortmain, deren Präsenz sich wie schwarze Schwingen über seinen Geist legte. Ihm blieb keine Zeit mehr, sich zu ihr umzudrehen. Gerade noch konnte er Madeline loslassen, da krachte auch schon der Pistolenknauf an seinen Schädel, und der Burgherr kippte betäubt zur Seite.
Wie durch einen Nebel erkannte er die Teufelin. Ihr hexenrotes Haar tanzte im Wind, und ihre grotesk bemalten Züge verzogen sich zu einer grauenhaften Fratze. Etwas blitzte an ihrer Hand auf.
Anatole war zu benommen, um seine Kräfte gegen den Angriff einsetzen zu können. Madeline, die wieder ein Stück abgerutscht war, nachdem er sie losgelassen hatte, krallte sich an Gras und Steinen fest, um das letzte Stück nach oben zu schaffen ... um sich auf die verhasste Feindin zu stürzen.
Aber sie kam zu spät. Der Stahl sauste wie in der Vision herab und traf Anatole in der Brust. Sein Schrei hingegen war furchtbar real.
»Nein!« Madeline stürmte vor und klammerte sich an Evelyns Arm, ehe die noch einmal zustoßen konnte. Die beiden rangen miteinander um den Dolch und kamen dabei dem Abgrund immer näher. Die Mortmain fletschte die Zähne, aber Madeline kämpfte mit ebensolcher Besessenheit, um ihren Gemahl zu schützen. Plötzlich gelang es ihr, Evelyn den Arm umzudrehen und ihr gleichzeitig die Schulter in die Brust zu rammen. Die Attacke riss die beiden Frauen von den Füßen. Evelyn taumelte zurück, bis sie plötzlich nichts mehr fand, auf dem sie stehen konnte. In ihrer Verzweiflung streckte sie die Arme aus, bekam Madeline zu fassen und zog sie mit sich in die Tiefe.
Himmel, Felsen und die verzerrte Miene der Mortmain drehten sich vor ihr, bis sie plötzlich von starken Armen gehalten und ihr Sturz abgebremst wurde.
Die Mörderin konnte sich nicht mehr an ihr fest halten und fiel sich überschlagend die Klippen hinab, und ihr Schrei ging im Tosen des Meers unter. Dann schlug sie unten auf den Felsen auf, und die kalten grauen Wogen trugen sie davon.
Madeline schwebte nach oben, und als sie wieder festen Grund unter den Füßen spürte, zitterten ihre Beine, als würden sie jeden Moment zerbrechen. Benommen warf sie einen Blick nach unten, aber von Evelyn Mortmain war nichts mehr zu sehen. Sie trat vom Rand zurück und suchte die Geborgenheit der starken Arme, die sie gerade heraufgezogen hatten.
Doch er stand nicht hier und erwartete sie. Madeline entdeckte ihn schließlich an der Stelle, wo die Mörderin ihn niedergestochen hatte. Er lag dort auf der Seite und presste eine Hand an die Stirn.
Jetzt begriff Madeline. Anatole hatte seine letzte Kraft dazu eingesetzt, sie zu retten und vor dem Aufschlag unten zu bewahren.
Madeline atmete scharf und erschrocken ein, als seine Hand kraftlos von der Stirn rutschte, und sofort eilte sie zu ihm und kniete sich vor ihn hin. Sie drückte mit beiden Händen gegen seine Brustwunde, um die starke Blutung zu stoppen. Aber sie spürte nur zu genau, wie das Leben aus ihm herausströmte.
Während ihr die Tränen über die Wangen liefen, suchte sie in ihrem Innern nach der praktischen, logischen Madeline, die immer einen Rat wusste. Doch die schien verschwunden zu sein.
»Warum musstet Ihr auch hierher kommen?«, heulte sie. Mit einem Mal öffnete er die Augen. »Ich konnte nicht anders; denn auch ich habe die Vision gesehen.«
»Dann wusstet Ihr doch, was Euch hier erwartete!«
»Ich musste Euch doch in Sicherheit bringen, auch wenn es das Letzte wäre, was ich in diesem Leben zustande bringen würde.«
Madeline ärgerte sich über sich selbst. Da hockte sie hier und flennte wie eine Idiotin, statt etwas zu seiner Rettung zu unternehmen.
Kurz entschlossen riss sie ihr Kleid hoch und fing an, Streifen aus den Unterröcken zu reißen, um Anatole damit die Wunde zu verbinden.
Doch Hilfe nahte schon. Aus einiger Entfernung näherte sich Hufgetrappel. Und dann hörte sie auch eine Stimme, die nach ihr und ihrem Gemahl rief. Marius!
Zuerst drang nur ein
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