St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
geworden zu sein. Wenn sie ihm das Kissen richtete, ihm etwas brachte oder ihn sonst wie umsorgte, beschwerte er sich nicht ein Mal, wie er das früher immer getan hatte.
Aber immerhin hatte der Mann den Tod vor Augen gehabt. Kein Wunder, wenn er da etwas Zeit brauchte, um sich zu fassen. Irgendwann würde er schon wieder der Alte sein. Romans Tod hatte die ganze Familie zusammenkommen lassen, und so lernte Madeline endlich auch die Frauen der St. Legers kennen. Sein Ende versetzte den Clan nicht gerade in Bestürzung, aber man bedauerte sein Ableben, vor allem, weil er sich zuletzt doch noch als einer der ihren erwiesen hatte.
Er war vor einigen Tagen beigesetzt worden, und am Abend dieses Tages war Madeline rechtschaffen erschöpft gewesen. Doch ein gewisser Stolz hatte sich in ihre Gedanken geschlichen. Sie war nun eine richtige St. Leger, und das nicht nur dem Namen nach.
Dennoch war sie froh gewesen, als die Verwandtschaft abreiste. Und heute hatte sich auch Marius einstweilen verabschiedet, weil seine Dienste bei Anatole nicht mehr dringend erforderlich waren. Madeline freute sich, endlich mit ihrem Mann allein sein zu können. Der Pastor brachte sie zur Kutsche. »Ihr braucht Euch um Anatole nicht mehr zu sorgen«, versprach sie dem alten Mann beim Abschied. »Glaubt mir, bei mir ist er in den besten Händen.«
»Dessen bin ich mir absolut sicher, weiß ich jetzt doch, dass Ihr tatsächlich die Richtige seid, um diese schwierige Aufgabe zu erfüllen.«
»Vielen Dank«, entgegnete sie verlegen. »Ich bin mir jedoch durchaus bewusst, dass ich Euch so manche Kopfschmerzen bereitet habe.«
»Meine Liebe, ich habe nie so sehr an Euch als an mir selbst gezweifelt. Für einige Zeit befürchtete ich sogar, meine Fähigkeiten verloren zu haben.«
»Das habt Ihr nicht, denn Ihr wart der beste Brautsucher und werdet das auch immer sein.« Sie küsste ihn leicht auf die Wange und gab dem Kutscher das Zeichen, loszufahren. Fitzleger errötete bis unter die Haarspitzen, wartete am Gartentor und winkte, bis von der Karosse nichts mehr zu sehen war.
Der Reverend hatte innerhalb einer Woche zwei zerstörte Seelen zur letzten Ruhe gebettet, Roman und Evelyn, und er fühlte in sich eine Zufriedenheit, die nicht mehr über ihn gekommen war, seit er in Madeline die Auserwählte für Anatole entdeckt hatte.
Die düsteren Wolken, die das ganze Dorf bedrückt hatten, waren an dem Tag abgezogen, an dem die Braut dem Schicksal getrotzt und ihren Mann vor dem Tod bewahrt hatte.
So hatte sich alles doch noch zum Guten gefügt, und der Pastor hatte dem Herrn ein langes Dankgebet geschickt. Madeline war wirklich und wahrhaftig die Braut für Anatole, und er durfte sich freuen, dass seine Instinkte ihn nicht im Stich gelassen hatten.
Doch leider harrte immer noch eine Frage ihrer Antwort. Was würde geschehen, wenn er selbst unter der Erde lag? Er war nur zu bereit, sein Amt abzugeben, wenn sich ein geeigneter Nachfolger zeigen würde. Bislang hatte er vergeblich gehofft. Während er mit solch traurigen Gedanken zum Pfarrhaus zurückkehrte, flog die Tür auf, und seine kleine Enkelin kam herausspaziert.
Sie drohte ihm mit einem Finger. »Du kommst zu spät zum Tee, Großvater.«
»Tatsächlich? Nun, dann bitte ich tausend Mal um Vergebung, Mylady.«
Das Mädchen trug einen Hut mit einer Feder und einen viel zu langen Musselinschal. Die Eltern verwöhnten die kleine Effie sehr, und der alte Fitzleger befürchtete, dass er ihnen darin in nichts nachstand.
Er streckte die Arme aus, und das Mädchen kam überraschenderweise zu ihm gelaufen. Normalerweise beschwerte sie sich immer, gedrückt zu werden, denn das zerknautsche ihre Kleider und Hüte.
Doch als der Pastor sie hoch hob, schlang sie ihm die Arme um den Hals und küsste ihn schmatzend auf die Wange. »Bei allen Segen, wofür war denn der?«
»Ich dachte, du könntest einen Kuss gebrauchen, Großvater, weil du so traurig bist.«
»Ja, das war ich auch, mein Kind, aber jetzt bin ich das nicht mehr. Eine Sache, die mir große Sorgen bereitete, hat sich doch noch zum Guten gewendet.«
»Und was war das?«
Fitzleger wollte sie erst mit einer typischen Erwachsenenausrede abspeisen, aber die Enkelin sah ihn so ernsthaft an, dass er sie absetzte und an die Hand nahm. »Es ging um zwei Freunde von mir. Du erinnerst dich doch bestimmt noch an die wunderschöne Lady, die für eine Weile bei uns gewohnt hat.«
»Ja, die Dame, die zu dem dunklen Mann in der Burg
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