ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
Bluse, die ihre schlanke, durchtrainierte Figur verhüllte. Sie hatte auffallend blaue Augen und elegante, fast schon königliche Gesichtszüge: weiche, cremefarbene Haut; hohe Wangenknochen; volle Lippen und eine zierliche Stupsnase. Große rotbraune Locken rahmten ihr Gesicht ein.
Wieder wurde draußen eine Tür geöffnet und geschlossen, und erneut näherten sich Schritte. Dickinson trat zur Seite, um einen älteren Mann vorbeizulassen, bei dem es sich vermutlich um den Arzt handelte. Er war sehr groß, ging aber gebückt. Sein Haar war silbergrau und sein Gesicht zerfurcht und faltig. Er trug einen Anzug aus grauem Stoff, eine schwarze Krawatte sowie eine Brille mit großen Gläsern und einem dicken schwarzen Rand. Wäre McCoy ihm im dreiundzwanzigsten Jahrhundert begegnet, hätte er ihn auf über hundert Jahre geschätzt. Doch da sie sich im ländlichen amerikanischen Süden des Jahres 1932 befanden, musste der Arzt eher um die sechzig oder siebzig sein. In der einen Hand trug er eine kleine schwarze Tasche. Sie ähnelte der Tasche, die McCoy bei den medizinischen Einsätzen bei der Sternenflotte oder davor in seiner zivilen Praxis benutzt hatte.
»Doktor Lyles, das ist Leonard McCoy«, stellte Dickinson ihn vor und deutete dabei auf ihn.
Der Arzt beäugte ihn mit unverhohlenem Misstrauen. »Was ist passiert, Mister McCoy?«, verlangte er mit stark näselnder Stimme zu wissen.
»Er ist schlimm gestürzt«, sagte Dickinson, und der Arzt warf ihr einen Blick zu, ohne sich darum zu bemühen, seine Verärgerung zu verbergen. Offenbar wollte er McCoys Version der Geschichte hören.
Lyles sah auf seinen potenziellen Patienten herab und fragte: »Können Sie aufstehen und sich aufs Sofa setzen?«
»Ja«, sagte McCoy. Vorsichtig hob er das linke Bein von den Überresten des Seesacks und hievte sich dann auf das Sofa.
Lyles sah sich im Raum um und bat Dickinson dann, ihm den Stuhl zu bringen, den sie zuvor für McCoy geholt hatte. Sie kam der Bitte sofort nach. Der Arzt nahm den Stuhl entgegen und stellte ihn dem Sofa gegenüber ab. Er zog sein Jackett aus, hängte es über die Stuhllehne und nahm dann Platz. Er stellte seine schwarze Tasche neben McCoy, streckte die Hand aus und griff nach dem Handgelenk des anderen Mannes. Lyles hielt den Blick auf seine Taschenuhr gerichtet und maß offenbar McCoys Puls. Dann öffnete er die Tasche und zog ein altmodisches Stethoskop heraus.
Zur jetzigen Zeit ist es nicht altmodisch
, erinnerte sich McCoy. Selbst nach zwei Jahren in der Vergangenheit dachte er immer noch wie ein Mann aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert. Natürlich gab es auch in der Zukunft noch Stethoskope, doch sie sahen ein wenig anders aus. Der Umgang mit ihnen und anderen energieunabhängigen medizinischen Geräten war Teil seiner Ausbildung gewesen. So wurde sichergestellt, dass Ärzte auch dann noch arbeiten konnten, wenn energiebetriebene Geräte einmal nicht zur Verfügung standen.
Lyles forderte ihn auf, sein Hemd aufzuknöpfen. Dickinson entschuldigte sich daraufhin umgehend und sagte, sie werde in der Küche warten. Nachdem sie gegangen war, zog McCoy das Hemd aus, und Lyles machte sich an die Arbeit. Er legte den harten, gummibesetzten Kopf des Stethoskops auf die entsprechenden Stellen auf McCoys Brust und Rücken und wiederholte den Vorgang dann mit einer kalten Metallscheibe. Sobald der Arzt Lungen- und Herzfunktion überprüft hatte, zog er ein Blutdruckmessgerät aus seiner Tasche. Stumm maß er McCoys Blutdruck. Sein Gesichtsausdruck blieb stets professionell, aber streng. McCoy konnte nicht beurteilten, ob der Arzt mit all seinen Patienten so umging oder ob er Leuten, die er nicht kannte, einfach nicht vertraute und sie daher auch nicht mochte.
»Ich bin sicher, mein Blutdruck ist ziemlich im Keller«, sagte McCoy, als Lyles seine Geräte wieder in der Tasche verstaute. »Ich habe heute recht viel Blut verloren.«
Der Arzt bedachte ihn mit einem fragenden Blick und lehnte sich dann vor, um den Schnitt auf seiner Stirn zu untersuchen. »Lynn sagt, Sie haben eine tiefe Wunde am Bein«, meinte er.
»An meiner linken Wade«, spezifizierte McCoy. »Sie wird vermutlich genäht werden müssen.« Er konnte seine eigenen Worten kaum glauben. Auch wenn er im Verlauf seiner eigenen medizinischen Karriere hin und wieder gezwungen gewesen war, Notfallprozeduren unter primitiven Voraussetzungen durchzuführen, war er nur zweimal genötigt gewesen, Fleisch zusammenzunähen. Dass er nun selbst eine
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