ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
rechter Arm in einer Schlinge steckte. Der Mann schwang das Bündel, das er mit dem anderen Arm trug, auf den Boden und lehnte sich erschöpft gegen den Zaun, der das Grundstück umgab. »Dürfte ich Sie wohl um etwas Wasser bitten, Ma’am?«, fragte er höflich.
»Aber ja, natürlich«, sagte Lynn. »Kommen Sie ruhig auf die Veranda, während ich Ihnen welches hole.« Sie lief schnell die krummen Stufen zur Veranda hinauf und von dort ins Haus. In der Küche warf sie ihren großen runden Hut auf den Tisch – wo auf einer Sperrholzplatte noch immer Phils letztes halb fertiges Puzzle lag – und tauchte dann eine große Tasse in einen der Wasserbehälter, die sie heute Morgen am Brunnen aufgefüllt hatte. Sie trat wieder auf die Veranda und erwartete, den Fremden dort vorzufinden, doch der lehnte nach wie vor am Zaun. Sie ging über das Gras auf ihn zu, hielt ihm die Tasse Wasser hin und sagte: »Sie hätten wirklich bis zum Haus kommen können.«
»Danke, Ma’am«, erwiderte er. »Aber ich glaube nicht, dass ich noch viel weiter hätte gehen können.« Er streckte einen Arm über den Zaun aus, um die Tasse entgegenzunehmen und trank gierig daraus.
Der Mann hatte ein freundliches Gesicht, fand Lynn. Mit strahlenden blauen Augen und einem netten Lächeln. Allerdings verunstaltete eine Reihe greller roter Kratzer seine Züge, und eine lange Schnittwunde, die mit getrocknetem Blut verkrustet war, lugte auf der rechten Seite seiner Stirn unter dem Haar hervor. Er schien acht oder zehn Jahre älter zu sein als Phil, der nächsten Monat einunddreißig werden würde, und obwohl der Fremde ein wenig tiefer stand als sie, schätzte sie, dass er genau wie Phil etwa ein Meter achtzig maß und damit ungefähr fünfzehn Zentimeter größer war als sie.
Auf dem Boden neben ihm lag sein rundes Bündel, das nach nicht viel mehr als einem zerrissenen, verschmutzten grünen Tuch aussah, das um einen Haufen Kleidung gewickelt war. Seine Schlinge bestand, wie sie nun sah, aus einem zusammengeknoteten dreckigen Hemd. Auch seine Kleidung – eine Baumwollhose und ein ebensolches Hemd – wirkte abgetragen und verschmutzt, als wäre sie durch den Schlamm gezogen worden.
»Vielen Dank, Ma’am«, sagte der Mann erneut, nachdem er die Tasse geleert hatte. »Ich weiß das wirklich zu schätzen.« Er gab ihr die Tasse zurück, und für eine Sekunde berührten ihre Finger die seinen.
»Sie sind ja völlig durchgefroren«, stieß Lynn hervor. Er musste wohl vom Regen überrascht worden sein und hatte keinen Unterschlupf gefunden. Sie betrachtete ihn noch einmal – sein Haar, seine Kleidung, das Bündel zu seinen Füßen – und sah, dass sie mit ihrer Vermutung völlig richtig lag. »Und nass bis auf die Haut«, fügte sie hinzu. Sie deutete auf den Kleidersack. »Ist da drinnen irgendwas Trockenes?«
»Ich fürchte, es ist alles ziemlich durchgeweicht«, sagte der Mann.
Lynn beugte sich schnell über den Zaun, schnappte sich das Bündel und warf es sich über die Schulter. »Kommen Sie mit ins Haus«, sagte sie und zeigte auf das Tor im Zaun. »Sie können ein paar Sachen von meinem Mann anziehen, während ich die hier zum Trocknen aufhänge.« Ohne seine Reaktion abzuwarten, ging sie zum Haus zurück. Auf der weiß getünchten Veranda drehte sie sich zu dem Fremden um, der ihr langsam humpelnd folgte. »Sind Sie in Ordnung?«, fragte sie. »Brauchen Sie vielleicht Hilfe?«
»Ich schaff das schon«, antwortete der Mann.
Lynn nickte und trug das Bündel ins Wohnzimmer – zumindest bezeichnete sie den kleinen Raum als Wohnzimmer und hatte sich bemüht, ihn so einzurichten, dass er auf Gäste einladend wirkte. Dort ließ sie das Bündel gleich hinter der Tür auf den Boden fallen. Dann ging sie durch den Flur in die Küche, wo sie die Tasse auf den Tisch stellte und einen der großen Holzstühle anhob. Während sie ihn ins Wohnzimmer trug, stieg der Fremde die Stufen hinauf und kam in den Raum. »Bitte sehr«, sagte sie und stellte den Stuhl vor ihm ab. Sie wollte nicht, dass er sich mit seiner dreckigen Kleidung auf das Sofa oder einen der beiden Sessel setzte. »Ich bin in einer Minute wieder da.«
Als sich der Mann völlig erschöpft auf den Stuhl fallen ließ, war sie schon wieder im Flur. Sie eilte ins Schlafzimmer, durchsuchte die Kommode und zog einige von Phils Kleidungsstücken heraus, die er nur noch selten trug. Sie nahm sie mit ins Wohnzimmer und gab sie dem Fremden. »Die Küche ist dort drüben«, erklärte sie und
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