ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
nicht verhindert«, sagten einige Leute in dieser Gegend. Phil verstand, was sie meinten, hielt jedoch nicht viel von der Vorstellung, Gott könnte einige Menschen anderen vorziehen. Dennoch musste er zugeben, dass er und Lynn Glück gehabt hatten. Sie hatten ihr Zuhause, und selbst wenn die Niederschlagsmenge in South Carolina in diesem Jahr beträchtlich zurückgegangen war, hätten sie sicher eine anständige Menge Baumwolle produzieren können – wenn sie die Samen tatsächlich ausgesät hätten.
Mit diesen Gedanken im Kopf erreichte Phil die Stadt, bog in die Carolina Street ein und fuhr am Park vorbei. Er sah eine Menge Leute, einschließlich einiger, die jetzt normalerweise genau wie er in der Mühle gewesen wären. Doch da die Preise für landwirtschaftliche Produkte im ganzen Land drastisch gesunken waren, litten Mühlenbetreiber und Bauern gleichermaßen. Präsident Roosevelt hatte versucht, die Preise wenigstens stabil genug zu halten, damit die Textilmühlen im Geschäft bleiben und die Arbeiter ihren Lebensunterhalt verdienen konnten. Das hatte auch teilweise funktioniert, aber eben nicht gut genug. Hier in Hayden hatte die Mühle ihre Kosten senken müssen, um weiter produzieren zu können.
Doch auch in diesem Fall hätte es schlimmer kommen können. Mr. Duncan hätte einfach einige Leute feuern können, doch stattdessen hatte er die Arbeitszeit und den Lohn aller Angestellten gekürzt. Das machte das Leben zwar für jeden in der Stadt schwerer, einschließlich Lynn und Phil, aber wenigstens saßen auf diese Weise alle im selben Boot.
Phil bog in die Hauptstraße ein und parkte vor dem Rathaus. Als er aus dem Laster stieg, entdeckte er Len auf einem der Wege im Park. Phil winkte, und Len erwiderte die Geste. Vor einer Weile hatte Phil überrascht festgestellt, dass sein Freund nicht Auto fahren konnte, also hatte er es ihm beigebracht. Die Erinnerung daran brachte ihn immer noch zum Lachen, auch wenn er so etwas nie wieder erleben wollte. Mehr als alles andere hatte ihn Lens überraschend blumige Ausdrucksweise schockiert, aber auch amüsiert. Irgendwann war er schließlich in der Lage gewesen, zu fahren, aber obwohl ihm Doc Lyles die Nutzung seines Autos angeboten hatte – der alte Arzt fuhr heutzutage nur noch selten –, schien Len es nach wie vor vorzuziehen, zu Fuß zu gehen.
Phil stieg die Stufen zum Rathaus hoch. Die Tür stand offen, vermutlich wegen der Hitze. Er betrat das Gebäude und durchquerte die kleine Lobby, um zu der niedrigen Holzwand zu gelangen, hinter der einige Stuhlreihen und Schreibtische standen. Die drei Mitglieder des Stadtrats – Bill Jenkins, Audie Glaston und Gregg Anderson, der momentan auch als Bürgermeister fungierte – arbeiteten hier, wenn sie sich um Angelegenheiten der Stadt kümmern mussten, doch im Augenblick konnte Phil keinen von ihnen entdecken. Allerdings saß Judy Bartell, die Stadtsekretärin, an ihrem Schreibtisch, wo sie sich mit Jefferson Donner unterhielt. Phil war extra in die Stadt gekommen, um mit Judy zu sprechen.
Er öffnete die kleine Tür in der halbhohen Wand und ging auf ihren Schreibtisch zu. Als sie ihn bemerkte, sagte sie: »Hey, Phil.« Auch Jeff Donner drehte sich um und begrüßte ihn.
»Wie geht’s euch heute?«, fragte Phil, als er sie erreichte.
»Mir ist zu heiß, aber das ist ja nichts Neues«, erwiderte Judy. Die ältere Frau war klein, hatte ein blasses sommersprossiges Gesicht und rotes Haar, das fast schon orange wirkte. Sie fächelte sich mit einem dünnen Papierstapel Luft zu. Phil sah, dass die großen Fenster auf beiden Seiten des Raums geöffnet waren, die Luft aber dennoch zu stehen schien.
»Drüben in der Schmiede ist es noch wesentlich heißer«, meinte Jeff. Der große Schmied war etwa in Phils Alter, hatte einen durchtrainierten, muskulösen Körper und schien immer mit einem Dreitagebart herumzulaufen. »Wann bringst du Piedmont und Belle Reve zum Beschlagen vorbei?«
»Mal sehen«, sagte Phil. »Wir haben sie in letzter Zeit nicht viel arbeiten lassen, von daher …« Er zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Jeff. »Niemand in der Stadt bewirtschaftet sein Land noch großartig, also braucht auch niemand neue Hufeisen für die Pferde oder jemanden, der ihm Werkzeuge repariert.« Er klang nicht wütend, sondern eher frustriert.
Phil hob erneut die Achseln. »Tut mir leid, Jeff.«
»Ach, es ist ja nicht deine Schuld«, meinte der Schmied und legte Phil eine Hand auf die Schulter.
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