ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
dass er mit der Hand auf dem Boden herumtastete, als würde er etwas suchen. Bo drehte sich gerade zu dem farbigen Mann um, als dieser offensichtlich fündig geworden war, sich auf die Knie aufrichtete, und eine Brille mit einem Drahtgestell aufsetzte. Dann starrte er zu Bo hinauf.
»Was glotzt du so, Nigger?«, schnauzte der junge Bartell. Der farbige Mann richtete sich langsam auf und Bo kam ihm bedrohlich näher.
»Bo!«, rief Lynn, die befürchtete, dass es zu einer Schlägerei kommen könnte. »Was machst du denn?«
»Ich schätze, ich halte einfach nur unsere Stadt sauber«, sagte Bo. Er schubste den anderen Mann, sodass dieser rückwärts taumelte. Er ruderte wild mit den Armen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und schaffte es so, auf den Beinen zu bleiben. Bo ging wieder auf ihn zu.
»Bo!«, rief Lynn erneut, da sie das Schlimmste befürchtete. Vor ihrem geistigen Auge sah sie, wie der farbige Mann Bo ins Gesicht schlug, ihn verprügelte und vielleicht sogar ein Messer zog. »Bo!«, schrie sie ein drittes Mal, zog den Fuß aus dem Steigbügel und schwang ihr Bein über Belle Reves Rücken. Sie sprang auf den Boden, band die Zügel ihres Pferds schnell um den Fensterrahmen der geöffneten Lastertür und lief zu Bo hinüber. Der junge Mann war einen knappen Meter vor dem Farbigen stehen geblieben. Sie packte seinen Arm. »Hör auf, Bo«, sagte sie und sah ihm direkt ins Gesicht. »Es gibt keinen Grund zum Streiten.«
»Wir haben doch gar nicht gestritten, Ma’am«, erwiderte Bo. »Ich halte diesen Nigger nur davon ab, unsere Stadt zu verschmutzen.«
Lynn blickte von dem Bartell-Jungen zu dem farbigen Mann. Bo war einen Kopf größer als sie und kräftig gebaut, aber das galt ebenfalls für den Fremden. »Was tun Sie hier?«, fragte sie ihn.
Einige Sekunden lang starrte der Farbige einfach nur weiterhin auf Bo. Er
funkelte
ihn regelrecht an, doch dann wandte er seine Aufmerksamkeit Lynn zu. »Ich bin nur auf der Durchreise, Ma’am«, sagte er und deutete auf die Church Street Richtung Stadt. Er sprach sehr deutlich, und jedes seiner Worte klang abgehackt, wie die einzelnen Hufschläge eines Pferdes. »Ich bin auf dem Weg nach Norden«, fügte er hinzu.
»Aber sicher nicht durch unsere Stadt«, sagte Bo.
»Das hier soll doch ein freies Land sein«, warf der Farbige ein.
»Nicht für dich, Nigger«, widersprach Bo. Er riss seinen Arm aus Lynns Griff und preschte wieder vor. Lynn war jedoch sofort zur Stelle und packte ihn erneut am Arm, um ihn aufzuhalten.
»Vielleicht sollten Sie einfach um die Stadt herumgehen«, schlug Lynn dem Farbigen vor. »Wenn Sie diesen Weg zurückgehen, kommen Sie direkt auf die Merrysville Road und von dort auf den oberen Piedmont Highway. Der führt nach Norden.« Sie deutete an ihm vorbei auf die Church Street und sah im gleichen Moment eine Staubwolke, die hinter einem Fahrzeug aufgewirbelt wurde, das gerade auf sie zukam. Sie hoffte, dass es sich um Turner Robinson handelte, der ebenfalls in dieser Richtung wohnte, aber er war vermutlich noch in seinem Laden in der Stadt.
»Bei allem Respekt, Ma’am«, sagte der Farbige aufgebracht, »aber genau von dort komme ich. Die Merrysville Road muss sieben oder acht Meilen entfernt liegen.«
»Kannst du etwa nicht so weit laufen, Nigger?«, verhöhnte Bo ihn.
»So weit sollte ich nicht laufen müssen«, erwiderte der Farbige. »Es ist weiter, als ich laufen
will
.«
»Was kümmert es mich, was du willst«, schnauzte Bo und machte wieder einen Schritt vor. Lynn sprang vor, sah ihn an und legte eine Hand auf seine Brust.
»Hör auf damit, Bo«, schimpfte sie. »Es besteht kein Grund zum Streiten. Er geht doch nur die Straße entlang, das ist alles.«
Bo schaute auf sie herab, und sie konnte den Hass in seinen Augen erkennen – er galt jedoch nicht ihr, sondern dem Fremden. »Sie wollen, dass
das da
durch Hayden läuft, Mrs. Dickinson?«, fragte er. »Durch
unsere
Stadt?«
»Das … das ist mir völlig egal, Bo«, sagte sie, als ihr klar wurde, dass es für sie keinen Unterschied machte, ob dieser Mann nun durch die Stadt ging oder nicht. Der Farbige hatte nichts davon gesagt, dass er in Hayden bleiben wollte. Er war nur auf der Durchreise. Sie wusste jedoch, dass sie unter allen Umständen eine Schlägerei vermeiden wollte. »Hören Sie«, sagte sie über ihre Schulter, »vielleicht sollten Sie einfach gehen. Das wäre vermutlich das Beste.« Sie hörte, wie der Motor des herannahenden Fahrzeugs lauter
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