ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
habe ich über das nachgedacht, was du gesagt hast, und auch darüber, dass du Benny nicht als ‚Farbigen‘ bezeichnet hast. Und ich habe mich immer wieder gefragt, warum.«
Leonard legte seine Gabel auf den Teller. »Weil es keine Rolle spielte«, erklärte er. »Es wäre so, als hätte ich ‚der Rechtshänder‘ gesagt. Es handelte sich um einen Unterschied, der nicht von Belang war. Schlimmer noch, es war ein Unterschied, der den Menschen einen Grund gibt, andere auszugrenzen, und es ihnen erleichtert, sie zu hassen.«
»Das ist mir klar geworden«, sagte Lynn. »Denn du hast an diesem Abend noch etwas anderes gesagt. Du sagtest, es gebe mehr Unterschiede zwischen allen Weißen in der Stadt als zwischen Phil und Benny. Da du Arzt bist, dachte ich, du weißt sicher, wovon du redest. Doch selbst wenn das nicht der Fall wäre, war mir klar, dass deine Worte in den Augen Gottes der Wahrheit entsprachen. Menschen sind Menschen, und wir alle sind Gottes Kinder. Es spielt keine Rolle, wie sie aussehen, sondern nur, wie sie andere behandeln.«
Leonard lächelte und nickte. »So ist es.«
»Tja, das wollte ich dir nur mitteilen«, sagte Lynn. »Es liegt mir schon seit einer ganzen Weile auf dem Herzen.«
»Ach ja?«, fragte Leonard, als er die Gabel wieder vom Teller nahm und ein weiteres Stück Kuchen aufspießte.
»Ja«, antwortete Lynn. »Ich habe lange darüber nachgedacht, bis ich es schließlich verstanden habe. Ich dachte mir, dass du nicht wusstest, dass ich damals mit Phil einer Meinung war, deshalb wollte ich es dir mitteilen. Ich bin nicht sicher, warum.« Eigentlich wusste sie sehr wohl, warum sie es mit Leonard teilen wollte. Sie wollte einfach keine Geheimnisse vor ihm haben, weil sie …
Weil ich etwas für ihn empfinde
.
»Danke«, sagte er. »Ich bin froh, dass du mit mir darüber gesprochen hast. Du bist eine gute Frau, Lynn.«
Sie spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und war sich sicher, dass sie knallrot geworden sein musste. Verlegen richtete sie den Blick wieder auf den Teller. »Und ich finde, dass du ein guter Mann bist, Leonard.« Sie streckte eine Hand aus und legte sie auf seine. Dann sah sie ihm direkt in die Augen. Sie spürte, wie eine Art elektrischer Schlag durch ihren Körper fuhr, als seine blauen Augen in ihre zurückstarrten.
Sie saßen ein paar Minuten lang schweigend da, doch es war keine unangenehme Stille. Dann zog Leonard seine Hand fort und griff nach seinem Kaffee. Die restliche Unterhaltung verlief bei Weitem nicht so ernsthaft wie eben. Sie sprachen über
Gefundene Jahre
und die anderen großartigen Filme, die die beiden Hauptdarsteller bisher gedreht hatten:
In den Fesseln von Shangri-La
mit Ronald Coleman und
Madame Curie
,
Mrs. Miniver
sowie
Auf Wiedersehen, Mr. Chips
mit Greer Garson. Sie redeten auch über Bücher, Leonards Praxis, das Leben in der Mühle und die gerade abgeschlossene Baumwollernte. Als Lynn später ins Bett ging, dachte sie an den wundervollen Abend zurück.
Aber mit Leonard hatte sie eben immer eine wundervolle Zeit.
McCoy bog vom oberen Piedmont Highway auf die Merrysville Road ab. Er folgte den Strahlen der Scheinwerfer durch die Nacht. Auf dem Sitz neben ihm lag Lynn gegen die Tür gelehnt. Sie war auf der eineinhalbstündigen Fahrt von Greenville zurück nach Hause eingeschlafen. Als sie das Restaurant verließen, hatte sie behauptet, nicht müde zu sein, doch schon kurz nachdem sie die US 123 erreicht hatten, war sie eingenickt.
McCoy war ebenfalls müde, sogar regelrecht erschöpft. Er freute sich schon darauf, in sein Bett zu kriechen, sobald er Lynn an ihrem Haus abgesetzt und dann sein eigenes Haus erreicht hatte. An diesem Tag hatte er elf Patienten behandelt, darunter fünf Kinder mit Halsentzündungen. Glücklicherweise war Penizillin mittlerweile fast überall erhältlich, sodass er die bakterielle Infektion damit gut behandeln konnte.
Doch McCoys anstrengender Arbeitstag war nur ein Grund für seine extreme Müdigkeit. Ein weiterer waren natürlich die langen Fahrten nach Greenville und wieder zurück, aber mehr als alles andere machte ihm der emotionale Faktor des Abends zu schaffen. Zwei Stunden lang hatte er im Bijou-Kino gesessen, die flackernden Bilder auf der Leinwand betrachtet und die Auswirkungen gefürchtet, die der Film auf Lynn haben mochte. Schon vor Beginn des Films hatte die Wochenschau über die neuesten Entwicklungen des Krieges berichtet: Nach vier Versuchen war es den Deutschen nun doch gelungen,
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