ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
damit er mehr Zeit zu Hause verbringen kann.«
Lynn lauschte gespannt Leonards Beschreibung des neuen Mitarbeiters des Saatgut- und Futtermittelgeschäfts, doch eigentlich hatte sie all diese Fragen zu seiner Person nur gestellt, weil sie nicht völlig unvermittelt und dreist auf das Thema zu sprechen kommen wollte, das sie eigentlich beschäftigte. »Ich … ich habe gehört, Mister Williams ist ein Farbiger«, sagte sie schließlich und dachte dann:
Na toll, das war ja kein bisschen dreist
.
Leonards Hand verharrte auf halbem Weg zu seinem Mund, und er ließ die Gabel voll Kuchen zurück auf seinen Teller sinken. Sie konnte sehen, wie sich jeder Muskel in seinem Gesicht anspannte. »Whitneys Haut ist dunkelbraun, ja«, bestätigte er.
Lynn schämte sich, starrte auf ihren Teller und stocherte geistesabwesend in ihrem Kuchen herum. »Du sprichst nicht so über Farbige, wie andere es tun«, stellte sie fest.
»So ist es wohl«, stimmte Leonard zu.
Sie zwang sich, ihn anzusehen, und ihre Blicke trafen sich. »Weißt du noch, als …«
»Ja«, sagte Leonard sofort, obwohl sie den Satz noch gar nicht beendet hatte. Das war jedoch nichts Neues. Schon seit Jahren wussten sie meistens, was der andere dachte, vermutlich weil sie so viel Zeit miteinander verbrachten.
»Als du und Phil diesen schrecklichen Streit hattet«, sagte Lynn, um sicherzugehen, dass sie wirklich dasselbe meinten.
»Ja«, wiederholte Leonard und seine Gesichtszüge wurden weicher. »Ich habe mich deswegen schlecht gefühlt und es Phil gesagt. Er hat sich ebenfalls bei mir entschuldigt.«
»Ich weiß«, meinte Lynn. Durch Phil wusste sie von der Unterhaltung. Sie hatte schließlich dazu geführt, dass die beiden Männer ihre Freundschaft wieder erneuerten.
»Es war einfach äußerst besorgniserregend, zu sehen, wie Benny – oder sonst jemand – so schrecklich behandelt wurde«, sagte Leonard. »Und noch schlimmer war es, festzustellen, dass einer meiner Freunde dieses Verhalten unterstützte.«
»Ich weiß«, sagte Lynn. »Ich erinnere mich an etwas, das du am Abend des Streits mit Phil gesagt hast. Ich fragte, wie der Farbige heiße, und du sagtest, der Name ‚des Mannes‘ sei Benny. Es schien so, als hättest du das Wort ‚Farbiger‘ absichtlich vermieden.«
»Das habe ich mit Sicherheit getan«, sagte Leonard. »Es gab keinen guten Grund, es zu verwenden.«
»Ich habe in den letzten Jahren sehr oft darüber nachgedacht«, sagte Lynn.
»Tatsächlich?«, stieß Leonard überrascht hervor. Der Zwischenfall mit Bo Bartell, Billy Fuster und den anderen sowie der darauffolgende Streit zwischen Leonard und Phil waren mittlerweile fast zehn Jahre her.
»Ja«, bestätigte Lynn. »Ich habe mich wegen der ganzen Sache schlecht gefühlt.«
»Ich weiß«, sagte Leonard. »Als ich an diesem Tag auf dem Weg zu euch war, dich in der Nähe der Jungs entdeckte und sah, was sich dort abspielte, ging ich davon aus, du würdest versuchen, es zu verhindern. Nachdem ich Benny mit zu mir nach Hause genommen hatte, bestätigte er meine Annahme, daher weiß ich, dass du dich deswegen schlecht gefühlt hast.«
»Nein«, widersprach Lynn. »Ich meine, ja, ich fühlte mich schlecht, weil die Jungs diesen Mann – Benny – schlugen, aber darauf wollte ich nicht hinaus.« Sie senkte wieder den Blick und versuchte einen Weg zu finden, ihre Gedanken am besten auszudrücken. Nachdenklich schob sie ein Stück Kuchen auf die Gabel und steckte es in ihren Mund. Sobald sie es heruntergeschluckt hatte, sah sie Leonard wieder an und fuhr fort. »Ich fühlte mich schlecht, weil … weil ich zwar wusste, dass die Jungs etwas Falsches taten, aber dennoch …« Sie zögerte, da sie sich schämte, es zuzugeben. »Dennoch einer Meinung mit Phil war. Wenn Benny einfach um die Stadt herumgegangen wäre, wie Bo es verlangt hatte, wäre nichts passiert.«
Leonard betrachtete sie eine Weile lang schweigend, und sie konnte die Enttäuschung in seinen Augen sehen. Schließlich sagte er: »Es tut mir leid, dass du diese Meinung vertrittst.«
»Das tue ich nicht mehr«, versicherte Lynn schnell. »Aber damals fühlte ich mich schlecht, weil mir absolut klar war, dass da etwas vollkommen falschlief. Ich wollte nicht, dass dieser Mann verprügelt wurde, aber dennoch wusste ich, warum es dazu kam. Doch du wusstest das offenbar nicht. In deinen Augen war es einfach nur falsch, das war alles.«
»So sehe ich das immer noch«, sagte Leonard.
»Ich weiß«, erwiderte Lynn. »Also
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