ST - TOS 101: Feuertaufe: McCoy - Die Herkunft der Schatten
begeistert hatte – er freute sich schon darauf, den Wissenschaftsoffizier am Morgen davon in Kenntnis zu setzen – und er einfach glücklich war, mit seiner Tochter gesprochen zu haben, beschloss er, das schlaffördernde Medikament heute nicht einzunehmen. Die Albträume mochten natürlich wiederkehren, doch heute Nacht würde er dieses Risiko eingehen.
ACHTUNDVIERZIG
1954
Als Lynn an der Straße parkte, sah sie zum Praxisbereich von Leonards Haus hinüber und bemerkte, dass die Tür offen stand. Sie stieg aus dem Laster und entdeckte Millie und Doug Warnick, die aus der Praxis in den warmen Sommerabend hinaustraten. Leonard stand hinter ihnen in der Tür.
Lynn überquerte die Straße und wartete neben dem in den niedrigen weißen Zaun eingelassenen Tor darauf, dass die Warnicks an ihr vorbeikamen. Doug hielt Millies Hand und stützte sie am Oberarm, während sie langsam vorwärts watschelte. Sie erwartete ihr drittes Kind, und ihr Bauch war riesig, aber sie hätte auch eigentlich schon letzte Woche entbinden sollen. »Ich kann nicht glauben, dass das Baby immer noch nicht auf der Welt ist«, sagte Lynn.
»Es ist genau wie bei Olivia und Viola«, sagte Doug und bezog sich damit auf ihre beiden Töchter. »Dieses Kind will einfach nicht herauskommen.«
»Wie geht es dir, Millie?«, fragte Lynn.
»Ich wiege eine Tonne, mir ist schrecklich heiß, und ich bin müde«, sagte sie. »Ich wünschte, der kleine Douglas Junior oder die kleine Mary würde sich ein bisschen beeilen.«
»Es wird nicht mehr lange dauern«, rief Leonard von der Tür. »Ganz sicher.«
Millie verdrehte die Augen. »Das sagt er jedes Mal, aber …« Sie tätschelte ihren Bauch mit beiden Händen.
»Ich bin sicher, es ist bald so weit«, meinte Lynn und versuchte, optimistisch zu klingen.
»Das hoffen wir wirklich«, sagte Doug und hob eine Hand, um zu zeigen, dass er die Daumen drückte. Er führte Millie zu ihrem Auto, einem himmelblauen Nash, und half ihr auf den Beifahrersitz. Lynn sah zu, wie Doug auf der Fahrerseite einstieg und davonfuhr.
Als sie sich umdrehte und auf das Haus zuging, sagte Lynn: »Ich kann nicht fassen, dass du Millie ihr Baby nicht bekommen lässt. Was für ein Arzt bist du eigentlich?«
»Ein hungriger«, sagte Leonard. »Und da wir gerade von Frauen sprechen, die zu spät dran sind …«
»Tut mir leid. Ich war bis sechs Uhr in der Mühle«, sagte Lynn. Leonard trat zur Seite und hielt ihr die Tür auf. »Aber es sieht nicht so aus, als wärst du schon bereit fürs Abendessen gewesen«, stellte sie fest. »Es sei denn, Millie wollte dir was kochen.«
»Nun ja«, meinte Leonard und schloss die Tür, »immerhin hat sie einen Braten in der Röhre.«
Lynn kicherte über den Scherz. »Aber keinen besonders leckeren«, fügte sie hinzu.
Sie gingen in die Küche und bereiteten gemeinsam das Abendessen zu. Als sie aßen, schlug Lynn vor, am nächsten Tag ins Kino zu gehen, wie sie es samstags häufig taten. »Ich habe nachgesehen«, sagte sie. »Im Bijou läuft
Zwischen zwei Meeren
.« Auch wenn sie meistens nach Greenville fuhren, um Filme zu schauen, machten sie sich gelegentlich auch nach Anderson auf. Im Jahr zuvor war dort ein neues Kino, das Deluxe, eröffnet worden.
»Wer spielt darin mit?«, wollte Leonard wissen.
»Olivia de Havilland und James Stewart«, sagte Lynn und nannte damit zwei ihrer Lieblingsschauspieler.
»Das klingt beeindruckend«, meinte Leonard.
»Ich weiß«, sagte Lynn aufgeregt. »Also, willst du hingehen?«
»Ja«, antwortete Leonard, »aber ich kann nicht. Nicht sofern Millie ihr Baby nicht bis morgen Nachmittag zur Welt bringt.« Er hielt inne und fügte dann hinzu: »Eigentlich sollte ich in der Nähe bleiben.«
»Natürlich«, sagte Lynn. Ihr hätte klar sein müssen, dass Leonard sich nicht zu weit von Millie entfernen konnte. »Dann vielleicht nächste Woche«, schlug sie vor, und Leonard stimmte zu.
Nach dem Abendessen beschlossen sie, den Abwasch auf später zu verschieben, damit sie die Abendnachrichten schauen konnten. Seit einigen Jahren zeigte jeder der drei Fernsehsender regelmäßig Nachrichtensendungen, die jeweils morgens und abends liefen. Sie dienten dazu, die Zuschauer über die Entwicklung des Kriegs zu informieren. Was sie heute Abend hörten, konnte man Lynns Meinung nach als positiv bezeichnen. Nach Jahren der Bemühungen durch Präsident Truman hatte Hitler endlich zugestimmt, Gesandte nach Washington zu schicken, um mit Friedensverhandlungen zu beginnen.
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