Staatsanwalt vermisst seinen Polizisten
Freudig erregt zeigte er auf die weißen Wollknäule und rief: „ Mäh, mäh, mäh !“ Gott, war der Kleine zum Knuddeln.
Danach zeigte er auf die Pferde und machte mit seinen Babylippen deren typische Schnaubgeräusche nach. Ich bekam den Hund gezeigt, der faul neben seiner Hütte in der Sonne lag und die Katze, die sich gerade in den Pferdestall schlich, um ein paar Mäuse zu fangen. Danach schleppte er mich zu Nana, Johns Mädchen für alles, die Seele des Hauses, die eigentlich Marta hieß, und staubte ein paar Kekse ab.
Mit seinen fünfzehn Monaten war er echt pfiffig und absolut süß. Ich war richtig verliebt in den Kerl und freute mich riesig, dass ich jetzt sein Papa sein sollte. Ich wusste zwar, dass in Deutschland noch einige lästige Behördengänge auf mich warteten, doch das wollte ich gerne in Kauf nehmen.
Nachdem wir alle Kekse aufgegessen hatten, holte John ein kleines Pony aus dem Stall, welches mir gerade eben bis zum Knie reichte. Erstaunt lachte ich auf, als ich das kleine Tier sah, das eher die Größe eines durchschnittlichen Hundes hatte.
„Das ist Lucy, ein Zwergpony. Ich habe eigens für sie ein kleines Halfter und einen Minisattel anfertigen lassen, damit Stevie auf ihr reiten kann.“
Argwöhnisch platzierte ich den Kleinen auf dem Ponysattel und staunte nicht schlecht, als John ihn darauf festschnallte. Dann schnalzte er mit der Zunge und lief neben den beiden her, um Stevie im Notfall aufzufangen, falls er das Gleichgewicht verlor. Offensichtlich saß der Lütte nicht zum ersten Mal auf Lucy, denn er bewegte sich schon wie ein Profi auf dem Ponyrücken auf und ab und rief begeistert: „Hoppe-hopp ...“
Nach einer großen Runde über die Ranch hatte Stevie keine Lust mehr und hielt mir die Ärmchen entgegen.
Gott, er wollte auf meinen Arm! Stolz fummelte ich an den Schnallen und befreite ihn aus Johns Super-Sattel-Konstruktion. Dann zeigte Stevie auf den Stall.
„Hase“, meinte ich aus seinem Munde zu erkennen. „Hase!“
Ich folgte seinem Fingerzeig und ging mit ihm in den Stall, wo tatsächlich ein kleiner abgetrennter Bereich war, in dem mehrere Hasen bunt durcheinander sprangen. Gemeinsam mit ihm stieg ich über das Gatter und hockte mich auf den Boden. Stevie patschte jedem Hasen glücklich auf den Rücken.
„Ei...ei.“
Nachdem wir die gesamte Tierwelt der Ranch unter die Lupe genommen hatten, war es auch schon Zeit zum Abendbrot. Nana hatte in der Küche einen Brei vorbereitet, den ich füttern durfte. Danach brachte Nana ihn ins Bett. Damit er sich gleich ein wenig an mich gewöhnen konnte, schnappte ich mir noch eines der Kinderbilderbücher und schaute es mit ihm gemeinsam an. Dann wünschte ich ihm eine gute Nacht und ging zu John auf die Terrasse.
Dieser hatte den Grill angeworfen und legte gerade ein paar saftige Steaks aufs Rost. Auf dem Tisch standen zwei Flaschen Bier und eine Flasche Wein.
„Ich wusste nicht, was du trinken möchtest. Darum war ich so frei und habe beides hingestellt“, entschuldigte sich John achselzuckend.
Ich winkte ab. „Gott, John! Du verwöhnst mich. Ein Wasser hätte auch gereicht.“
„Es war ein schöner Tag, Marten! Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß wie mit dir! Es ist schön, so nette Gesellschaft zu haben. Weißt du, Max, mein langjähriger Freund, ist schon seit drei Jahren tot“, erklärte John traurig. „Nach seinem Unfall habe ich mich hier verschanzt. Wollte niemanden mehr sehen, meinen Lebensabend einsam und allein verbringen. Aber der Tag mit dir heute hat mir gezeigt, dass ich noch so viel erleben kann ...“ Unsicher brach er ab und schaute mir tief in die Augen.
Mein Herz machte einen Hüpfer. Ich fühlte mich dummerweise sehr zu ihm hingezogen und das Gefühl wollte ich gar nicht vertiefen. Ich war mit Thorsten verheiratet - in guten wie in schlechten Tagen - und ich liebte ihn sehr. Das Schlimme an partnerschaftlichen Krisen war die Empfänglichkeit für jegliche Liebessignale, die man genau in der Phase zugesandt bekam. Ich fragte mich, wie es Thorsten wohl gerade erging. Er war alleine zu Hause und Maria lag mit den Zwillingen in der Klinik. Abends und nachts fand er die leere Betthälfte vor und sehnte sich vielleicht nach mir, aber tagsüber war er hundertprozentig mit Maria und den Kindern vollauf beschäftigt.
„Ich gehe noch mal zum Wagen und hole meine Tasche aus dem Kofferraum. Irgendwie habe ich das vorhin vergessen“, sagte ich geistesabwesend, ohne auf seine Bemerkung
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