Stachel der Erinnerung
Ränkeschmiedens gewesen. Gewaltige
Geldsummen hatten ihre Besitzer gewechselt. Landsdowne war eindringlich
ermahnt worden, zusammen mit der diskreten Rückgabe seiner längst überfälligen
Hypothek, daß die Informationen, die sich seine Tochter besorgt
hatte, sicher falsch waren, daß da vielleicht irgend etwas verwechselt worden
war.
Natürlich
hatte seine Tochter protestiert. Sie hatte sich aufgelehnt gegen diese
Unterstellung. Doch als der Graf erst einmal dafür gesorgt hatte, daß sie den
reichen, anständigen Lord Burbage heiratete, einen Freund Matthews aus seiner
Zeit in Oxford, hatte der wiederum darauf beharrt, daß Caroline die Wogen der
Entrüstung, die durch ihren »Irrtum« entstanden waren, wieder glättete.
Der
Detektiv aus der Bow Street war sehr leicht zu überzeugen gewesen. Man hatte
ihm eine gutbezahlte Stellung in einer Londoner Sicherheitsfirma angeboten –
und schon waren all seine Untersuchungsergebnisse »als Fälschung entlarvt«.
Selbstverständlich war er selbst absolut schuldlos.
Und
praktischerweise waren da auch noch all die lange fälligen Schulden, die der
Marquis von Seaton jetzt unbedingt eintreiben mußte. Das brachte viele der
säumigen Zahler dazu, ihm bedingungslos das zu glauben, was er über Jessicas
Vergangenheit erzählte. Er wendete jeden Trick an, den er kannte,
einschließlich gefälschter Dokumente, die er sich besorgt hatte, um Jessicas
legitime Geburt nachzuweisen. Und schließlich hatte er sein Werk vollendet: Der
gute Name von Belmore war wiederhergestellt, der junge Graf und die zu Unrecht
verurteilte Gräfin von Strickland wurden von der Gesellschaft voll anerkannt.
Auch wenn
den beiden das gar nicht mehr so wichtig war. Das einzige, woran sie Interesse
hatten, war die Tatsache, daß sie wieder eine Familie waren.
Und daß
niemand sie mehr auseinanderreißen konnte.
Papa
Reggies alte Knochen knirschten, als er vom Sofa aufstand. Zu lange hatte er
mit dem Baby auf dem Schoß dort gesessen. Er lächelte, als er das jetzt
schlafende Kind zu seiner Mutter trug.
»Nun, meine
liebe Schwiegertochter, wann können wir damit rechnen, daß ein weiterer
kleiner Seaton diese Familie vergrößert? Ich habe dir doch klargemacht, daß
ich ein ganzes Haus voller
Enkelkinder erwarte, bevor ich meinem Schöpfer gegenübertrete.«
Jessie
lachte. »Papa Reggie, seit dem Tag, an dem ich dich kennengelernt habe,
bereitest du dich darauf vor, diese Erde zu verlassen. In Wirklichkeit wirst du
uns wahrscheinlich alle überleben.«
»Jawohl, du
alter Intrigant«, mischte sich nun Matthew in die Unterhaltung ein. »Wenn ich
so an die Vergangenheit denke, dämmert mir, daß es Zeiten gegeben hat, wo du
deine Krankheiten nur vorgetäuscht hast, um Jessie und mich zusammenzubringen.«
Der Marquis
zog die dichten, weißen Augenbrauen hoch. »Wie kannst du nur etwas so
Schändliches behaupten?« Doch das Aufblitzen in seinen Augen und die Art, wie
er Cornelia zuzwinkerte, genügte, daß sich Jessie und Matthew anlachten.
»Selbst
wenn du nur geschauspielert hast«, griente Matthew, wurde dann aber ernst,
»möchte ich mich trotzdem bei dir bedanken, Vater. Jessie zu heiraten war das
Beste, was mir je geschehen konnte. Und wenn du dafür verantwortlich bist, müßtest
du dafür alle Orden dieser Welt bekommen.«
Jessie
gluckste bei den Worten ihres Mannes. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuß
auf die Wange. Matthews Augen leuchteten begehrlich auf. Er flüsterte etwas in
ihr Ohr, und ihr Lächeln wurde noch strahlender.
»Die Kinder
sind müde«, erklärte Matt. »Und Jessie und ich könnten auch ein wenig Ruhe
brauchen.« Zärtlichkeit lag in dem Blick, mit dem er Jessie betrachtete – und
aufsteigende Leidenschaft. »Ich denke, wir werden uns zurückziehen, um uns vor
dem Essen noch etwas zu entspannen.«
»Gute
Idee«, stimmte Reggie seinem Sohn erheitert zu. »Wie ich schon sagte ...«
»Ich weiß«,
unterbrach Matt ihn schmunzelnd. »Du willst ein Haus voller Enkelkinder, ehe du
deinem Schöpfer gegenübertrittst.«
Der
Marquis, listig und verschmitzt wie immer, sah ihn wortlos an und grinste nur
breit.
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