Stadt Aus Blut

heiß geliebt. Ich glaube, Amanda dachte, Whitney würde ihren Vater nur zum Narren halten, wenn sie mit ihm auf die Kleinmädchentour flirtet. Das hat ihr gefallen. Whitney hat sich ja sonst nie so verhalten. Deswegen mochte Amanda sie ja auch so gerne. Whitney war in ihren Augen so erwachsen und erfahren. Sie hat wirklich geglaubt, Whitney wolle Dale nur auf den Arm nehmen. Und das hat sie auf bestimmte Art ja wohl auch getan. Allerdings hat sie auch darauf gehofft, dass es sich irgendwann auszahlen würde.
    – Und?
    Sie steht auf und zieht sich die Kleider zurecht. Dann zupft sie Flusen von meiner Couch und glättet den Bezug.
    – Ich weiß es nicht genau, aber irgendetwas ist passiert.
    – Was?
    – Vor ungefähr zwei Wochen stellte Whitney plötzlich ihre Besuche bei uns ein. Dale ließ sich auch nicht mehr so oft blicken. Langsam kehrte wieder Normalität ein.
    Ich frage jetzt nicht, ob sie denkt, dass ihr Mann irgendwas mit Vales Tod zu tun hat. Warum auch? Schließlich habe ich sie umgebracht.
    Ihr Handy klingelt ein Mal.
    – Das ist mein Wagen, Joseph.
    Ich stehe auf.
    – Whitney ließ sich also vor zwei Wochen das letzte Mal blicken. Was ist in der Zwischenzeit passiert?
    Sie geht zur Tür und wartet, dass ich ihr folge. Ich öffne die Schlösser, und wir gehen zur Haustür.
    – Einmal habe ich Amanda überrascht, wie sie einen Streit mit Dale hatte. Als sie mich sahen, hörten sie auf. Amanda lief in ihr Zimmer und Dale zog sich in sein Büro zurück.
    – Und?
    – Ich ging zu Amanda und fragte sie, ob ihr Vater ihr zu nahe getreten sei.
    – Was hat sie gesagt?
    – Moooooom, mehr nicht. Am nächsten Tag war sie verschwunden.
    – Als Sie die Sache mit Whitney erfuhren – warum haben Sie da nicht die Cops angerufen? Hatten Sie keine Angst um Ihre Tochter?
    – Doch. Aber wenn so etwas passiert, muss man sich an die richtigen Leute wenden. Wir haben Mr. Predo angerufen. Und der hat Sie verständigt. Genau der richtige Mann für den Job, hat er gesagt.
    Sie deutet zur Tür.
    – Bitte.
    Ich öffne die Tür.
    – Soll ich sie noch immer suchen?
    – Warum denn nicht?
    – Mittlerweile glaube ich, Amanda ist vielleicht besser dort aufgehoben, wo sie jetzt ist.
    Sie wirft einen Blick auf die Limousine, dann wendet sie sich wieder mir zu und legt mir eine Hand auf die Schulter.
    – Finden Sie sie, Joseph.
    Sie lehnt sich an mich und drückt ihre Brüste an meinen Körper.
    – Bringen Sie sie zu mir nach Hause. Solange sie dort draußen ist, findet er sie womöglich zuerst.
    Sie küsst mich auf den Mundwinkel.
    – In letzter Zeit wurden seine Interessen ziemlich... barock.
    Mir bleiben die Worte im Hals stecken.
    – Was zum Teufel...
    Sie will noch etwas sagen, überlegt es sich aber anders und schüttelt nur den Kopf.
    – Finden Sie sie.
    Sie wischt mit dem Daumen den Lippenstift von meinem Mundwinkel, dann steigt sie in die Limousine und fährt weg.
    Barock.
    Ich will gerade wieder reingehen, als ich Evie auf der anderen Straßenseite stehen sehe. Sie schaut mich für einen Moment an und wendet sich zum Gehen. Überlegt es sich anders, dreht sich noch mal um und zeigt mir den Finger. Dann ist sie endgültig verschwunden.
    Da kann ich jetzt nicht hinterher. Ich habe jetzt keinen Nerv für eine Szene mit Gebrüll, Geschrei und Geheule. Nicht, wenn ich so hungrig bin. Ich stehe einfach nur da und wünsche mir, dass der Typ damals im Klo des CBGB nicht so schlampig gewesen wäre.
     
    Es ist schon nach vier. So langsam sollte ich mal mein Zeug zusammenpacken. Unten im Safe liegt eine kleine Ledermappe. Darin befinden sich ein neues Paar Gummihandschuhe, eine kleine Flasche mit Alkohol und ein paar Tupfer. Die restlichen Taschen der Mappe fülle ich mit sauberen Nadeln, Schläuchen und unbenutzten Blutbeuteln. Dann verschließe ich den Safe wieder und lasse die Mappe in meiner Tasche verschwinden. Ich habe noch ein paar Stunden, um mir Blut zu besorgen. Und das brauche ich dringend, wenn ich morgen Nacht gegen Dale Horde antreten will.
     
    Es gibt ein paar ungeschriebene Regeln, die man aber trotzdem auf jeden Fall befolgen muss:
     
    1. Geh nicht dort auf die Jagd, wo du wohnst.
    2. Sei nicht gierig.
    3. Keine unnötige Brutalität.
    4. Zapf niemanden an, der es bemerken könnte.
    5. Du hast nur einen Versuch.
    6. Geh nie ohne Erlaubnis in Clangebiet auf die Jagd.
    7. Keine Zeugen.
     
    Diese ganzen Regeln lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Scheiß nicht dahin, wo du isst. Aber das ist