Stadt Aus Blut
zu mir auf.
– Das müssen Sie nicht tun, Joseph. Ich habe sehr viel Erfahrung damit.
Also lasse ich ihr Haar los. Soll sie sich ruhig um ihren eigenen Dreck kümmern. Wenn das nur in anderer Hinsicht auch so einfach wäre.
– Könnte ich einen Schluck Wasser haben?
Sie steht mit schweißnassem Gesicht und geröteten Augen in der Badezimmertür.
– Sofort.
Aber sie winkt ab und ist schon am Spülbecken.
– Meine betrunkene Verführungsszene und der anschließende tragische Absturz sind vorbei, Joseph. Ich kann mir schon selbst ein Glas holen.
Sie zeigt mir ein Glas mit Wasser als Beweis. Dann setzt sie sich wieder auf die Couch und betrachtet ihr Gesicht in einem Taschenspiegel.
– Ich sehe ja fürchterlich aus.
Sie erneuert ihr Make-up. Ich schaue auf die Uhr. Es ist schon nach zwei, und ich habe noch viel vor.
– Was ist mit Whitney Vale?
Ihre Augen wandern zwischen dem Spiegel und mir hin und her.
– Sie hat letzten Sommer mit Amanda in dieser Schule gehaust. Gecampt. Amanda hing an ihr. Sie wollte, dass sie bei uns wohnt. Das war natürlich völlig ausgeschlossen. Eigentlich sollte sie überhaupt keinen Umgang mit solchen Leuten haben. Sie hat getan, was jeder Teenager tut: Sie drohte abzuhauen, wenn sie Whitney nicht weiter treffen darf.
Frustriert wedelt sie mit ihrer freien Hand.
– Ich weiß, worauf diese Art von Rebellion hinausläuft. Darauf, älteren Männern in irgendeiner Disco einen zu blasen. Ich habe Whitney erlaubt, sie zu besuchen. Aber sie durfte nicht mit ihr durch die Stadt ziehen. Ich wusste, dass sie es trotzdem machen würde. Aber ich wollte zumindest den Schein elterlicher Fürsorge wahren. Besonders nachdem ich Fräulein Vale kennengelernt hatte.
– Warum?
Sie zieht eine perfekte scharlachrote Linie um ihre Lippen.
– Sie ist eine Pennerin, Joseph, und eine Diebin. Sie hat meine Tochter nur benutzt, um an Geld zu kommen, und hat sich in unserem Haus unter den Nagel gerissen, was sie wollte. Schon als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich, was sie für eine ist. Als ob man in einen Spiegel schaut.
Sie hält kurz inne.
– Zwar nur ein siebzehnjähriger Spiegel, aber trotzdem.
– Und Ihr Mann?
Sie fängt wieder an, sich die immer noch geröteten Wangen zu pudern.
– Der hat ihre besondere Qualität ebenfalls auf den ersten Blick erkannt. Glauben Sie mir, sie hat ihn sofort wissen lassen, dass sie volljährig ist. Obwohl sie ja sonst alles getan hat, um nicht danach auszusehen.
– Sie hat ihn angemacht?
– Hmmm. Angemacht. Nein, sie hat eher mit ihm geflirtet. Ist umherstolziert, ließ ihren Rock ein bisschen zu weit hochrutschen, berührte ihn öfter, als es sich gehört. Man kann sagen, sie hat nicht nur wie eine Fünfzehnjährige ausgesehen, sondern ihm auch eine vorgespielt.
– Was hat er gemacht?
Sie wirft einen letzten Blick auf ihr Gesicht, streicht sich eine Haarsträhne aus den Augen und lässt den Taschenspiegel zuschnappen.
– Mein Mann ist nicht einfach nur das Aushängeschild seiner Firma, Joseph. Er ist ein talentierter Manager und Geschäftsmann. Außerdem ist er Arzt mit Spezialgebiet Epidemiologie. Er hat Horde Bio Tech nicht nur gegründet, er ist dort auch die wichtigste Forschungskraft. Er lebt für seine Arbeit und kommt nur selten nach Hause. Als uns dann Whitney ab und an besuchte, verbrachte er plötzlich mehr Zeit zu Hause. Er kam unerwartet zum Mittagessen. Dass er sich so für sie interessiert hat, war keine große Überraschung. Nur, dass er aus seinem Interesse keinen Hehl machte. Aber wenn ich darüber nachdenke, wundert mich selbst das nicht besonders.
– Warum?
– Das haben Sie sicher bemerkt.
– Was?
– Die Ähnlichkeit mit meiner Tochter. Ich glaube, sie haben sich sogar einen Spaß daraus gemacht. Taten so, als wären sie verwandt.
Ich denke an Missy, die ebenfalls dachte, dass die beiden Schwestern wären.
– Was hielt Ihre Tochter von der ganzen Sache?
Sie holt ihr Handy aus der Handtasche.
– Amanda ist für ihre vierzehn Jahre sehr erfahren, aber letzten Endes ist sie doch nur ein junges Mädchen. Ich glaube nicht, dass sie die Bedrohung, die Dale darstellt, ernst nimmt. Ich glaube, es gefällt ihr sogar. Es ist ja auch nichts Ungewöhnliches, für seinen Vater eine gewisse sexuelle Neugierde zu hegen. Im abstrakten Sinn jedenfalls.
Sie klappt das Telefon auf.
– Ich werde meinen Wagen rufen.
Sie macht ihren Anruf und bittet ihren Chauffeur, sie abzuholen.
– Amanda hat Whitney
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