Stadt Aus Blut
Schweißgeruch von Horde über dem Pappkarton hängt, auf dem er eine noch atmende Tote gefickt hat.
Wie gesagt, das hilft mir alles nicht weiter. Ich muss nach wie vor Amanda nach Hause bringen. Und ich muss den Überträger finden. Mein Job ist noch lange nicht erledigt.
Jedenfalls ruf ich mir das immer wieder ins Gedächtnis.
In Wahrheit jedoch habe ich ständig das gleiche Bild vor Augen: Ich bohre Horde mit meinen Daumen ein Loch in den Hals und zerfetze seine pulsierende Arterie. Dann fühle ich, wie mir das warme Blut gegen die Lippen spritzt, als ich ihn aussauge. Aber davon wird die Welt auch kein schönerer Ort.
Idiot.
Ich bin so ein Vollidiot.
– Hast du wirklich eine Sonnenallergie?
– Man nennt das Urticaria solaris .
– Hört sich an wie eine Geschlechtskrankheit.
– Ist es aber nicht.
– Was passiert, wenn du zum Strand gehst oder so?
– Was passiert, wenn du deine Hand auf den Grill legst?
– Ohne Scheiß?
– Ohne Scheiß.
– Das ist voll krass.
– Ja.
– Hast du das schon immer?
– Eigentlich nicht.
– Wann warst du zum letzten Mal draußen? An der Sonne?
– Ist lange her. Hast du Kleingeld?
Wir stehen an der Ecke Tenth und A vor einem Münztelefon. Ich habe mir Hände und Gesicht abgewischt und die Jacke zugemacht, damit man das blutige Hemd nicht sieht. Die Löcher in meinen Händen haben sich geschlossen, heilen aber längst nicht so schnell, wie sie es normalerweise tun würden. Und sie schmerzen genauso wie mein Gesicht und mein Knöchel. Die Nadeln lenken mich davon ab. Wenn ich ein bisschen Blut hätte, wäre alles im Nu verheilt. Aber mir rennt die Zeit davon.
– Hier.
Sie hält mir eine Handvoll Kleingeld hin. Ich nehme mir zwei Quarter.
– Wie ist die Nummer deiner Mutter?
– Festnetz oder Handy?
– Handy.
Ich tippe die Zahlenfolge ein, die sie herunterrattert. Sie steht neben mir und tut so, als würden wir nicht zusammengehören. Das ist wegen der Handschellen gar nicht so leicht, auch wenn wir sie unter einem T-Shirt aus ihrem Rucksack versteckt haben.
– Hallo.
– Mrs. Horde, ich bin’s.
Amanda schaut mich an.
– Joseph.
– Ich hab sie gefunden.
– Oh, ich... Vielen Dank, Joseph.
Amanda hebt eine Augenbraue.
– Da ist sie sicher richtig erleichtert, oder?
Ich beachte sie nicht weiter.
– Wollen Sie sie abholen?
– Ja. Nein. Können Sie sie vorbeibringen?
Amanda wirft Küsschen in die Luft.
– Sie muss Ihnen doch so dankbar sein. Freut sie sich, mich zu sehen?
– Na sicher. Wo wohnen Sie?
Sie gibt mir eine Adresse auf der 81st neben der Park Avenue. Amanda gibt sich alle Mühe, gelangweilt auszusehen, hört dabei aber angestrengt zu.
– Wir nehmen ein Taxi. Sind in zwanzig Minuten da.
– Sehr gut. Sehr gut. Joseph?
– Ja?
– Darf ich?
– Was?
Sie schweigt.
– Wollen Sie mit ihr reden?
Amanda wirbelt ihren Kopf herum.
– Nein. Nein. Muss nicht sein. Vielleicht bringen Sie sie einfach nur vorbei.
– Okay.
Ich lege auf und schnappe mir Amandas Rucksack.
– Los geht’s.
– Wollte sie gar nicht mit ihrer geliebten Tochter sprechen?
– Glaube nicht.
– Macht dir das Sorgen?
– Eher nicht.
Ich winke mit dem Rucksack nach einem Taxi. Ich öffne die Tür und warte ab, während Amanda sich entscheiden muss. Sie schaut in das Taxi, dann mich an. Ich deute auf die offene Tür. Sie zuckt mit den Schultern und steigt ein. Ich gebe dem Fahrer die Adresse und schon sind wir unterwegs. Sie schaut aus dem Fenster. Ich beiße die Zähne zusammen, kann aber ein leises Keuchen nicht unterdrücken.
Sie dreht sich um und betrachtet mein Gesicht mit den geschwollenen, zusammengepressten Lippen.
– Was ist los mit dir?
– Nichts. Halt mal für einen Augenblick die Klappe.
– Jetzt wollte ich mich gerade unterhalten. Schade.
Sie schaut wieder aus dem Fenster. Die Schmerzen werden langsam unerträglich – die Nadeln haben angefangen zu glühen.
Die stundenlange Warterei im Keller der Schule hat mich in das nächste Stadium des Entzugs geführt. Jetzt wird das Vyrus meinen Körper einfach ausschalten und tief in meinem Gehirn irgendwelche Einstellungen vornehmen. An diesem Punkt war ich noch nie zuvor. Die Schmerzen sind gerade noch auszuhalten, aber sie werden von Minute zu Minute schlimmer. Bald kann ich für nichts mehr garantieren.
Ich beiße die Zähne zusammen und balle die Faust, sodass sich meine Fingernägel in meine wunden Handflächen graben. Ich muss mich beherrschen. Ich muss alles
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