Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt Aus Blut

Stadt Aus Blut

Titel: Stadt Aus Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
Vom Netzwerk:
blöd.
    Sie steht auf.
    – Gehen wir.
    – Hä?
    – Bring mich nach Hause.
    Ich schaue auf die Uhr. Es ist kurz nach Sonnenaufgang. Sie zerrt an den Handschellen.
    – Du hast mich gefangen, Spürnase. Jetzt führ mich ab.
    – Jetzt nicht.
    – Ich werd schon nicht ausflippen. Je früher du mich heimbringst, desto früher kann ich wieder abhauen. Also, bringen wir’s hinter uns.
    – Wir müssen noch warten.
    – Auf was?
    – Darauf, dass die Sonne untergeht.
    – Warum?
    – Ich bin allergisch auf Sonnenlicht.
    Sie starrt mich an.
    – Du bist so ein Loser.
     
    Mein Magen ist mit Nadeln angefüllt. Sie bohren sich langsam durch meine Innereien in meinen Verdauungstrakt. Sie schieben sich durch die Luftröhre in meine Lungen. Sie werden durch die Venen in meinen ganzen Körper gespült. Bis hinein in die feinsten Äderchen in meinem Gesicht, den Fingern und Zehen. Sie sind in meinen Lippen und in meinen Eiern. Das ist so erleichternd. Ich bin endlich in diesem tranceartigen Zwischenzustand, der auf die Krämpfe folgt. Es ist ein endloses, unerträgliches Jucken. Doch damit kann ich leben. Leben, atmen, stehen und gehen. Keine plötzlichen Krampfanfälle mehr. Es wird nur einfach langsam immer schlimmer. Die Nadeln werden irgendwann anfangen zu glühen und mein Blut verdampfen lassen. Aber das dauert noch ein bisschen.
    – Ich muss hier raus.
    Und ich brauche Zeit.
    – Hey.
    Alle Zeit, die ich kriegen kann.
    – Hey!
    Jede Sekunde, in der ich noch die Kontrolle über das Vyrus habe, zählt.
    – Ich hab gesagt, ich muss hier raus.
    Weil ich an einen kleinen Leckerbissen gefesselt bin.
    – Haaaalloooo.
    Größtenteils tappe ich ja immer noch im Dunkeln. Aber eins ist mir klar: Wenn ich auf das Mädchen losgehe, werden mich ihre Eltern, Predo und Lydia gemeinsam an Armen und Beinen packen und mich vierteilen.
    – Ich. Will. Raus.
    – Später, hab ich gesagt.
    – Nein, du Vollidiot. Jetzt.
    Aber wenn sie so weitermacht, überlege ich’s mir vielleicht doch noch anders.
     
    – Sag was.
    – Warum?
    – Darum. Ich kann nicht pinkeln, wenn ich an ein Arschloch gefesselt bin, das auch zu pissen versucht.
    Die Tür steht offen. Wir hocken in zwei verschiedenen Räumen und halten uns beide am Türrahmen fest.
    – Also, erzähl mir was.
    – Was das Pinkeln angeht, bist du ziemlich verklemmt für eine, die gern mit Pennern abhängt.
    – Leck mich.
    Ich kaue auf einem Schnitt an meiner Oberlippe herum und versuche, das Kribbeln mit dem Kupfergeschmack meines eigenen Bluts zu dämpfen. Klappt nicht. Ich kriege nur noch mehr Hunger, wenn das überhaupt möglich ist. Also lasse ich es bleiben.
    Mein Blut fließt immer noch durch meine Adern und mein Herz und transportiert Sauerstoff in mein Hirn. Für das Vyrus jedoch ist es in etwa so nahrhaft wie Staub. Dieses Blut ist schon lange ausgelaugt – das Vyrus hat sich alles genommen, was es brauchen kann. Aber es gibt noch mehr – gleich auf der anderen Seite der Tür.
    – Hey!
    – Was?
    – Zieh nicht so.
    Ich blicke auf. Sie hat recht, ich war wirklich dabei, sie in meine Richtung zu zerren.
    – Entschuldige.
    – Ja, entschuldige. Jetzt sag doch endlich mal was.
    – Was denn?
    – Irgendwas. Wer dich so zugerichtet hat, zum Beispiel. Nicht, dass mich das wundern würde. Die stehen bestimmt Schlange.
    – Da ist so ein Typ, der mich nicht leiden kann.
    – Tja. Da kann ich ihm keinen Vorwurf machen. Wirst du ihn alle machen?
    – Eigentlich nicht.
    – Maaaaann.
    – Was?
    – So ein großer Kerl.
    – Und?
    – Jetzt stell dich nicht so an, du Mädchen.
    – Bist du fertig mit pinkeln?
    – Scheiße, ich war fast so weit. Warum musstest du das ausgerechnet jetzt sagen. Red’ über was anderes.
    – Wie bist du hier reingekommen?
    – In der Tenth gibt’s so eine Art Seitenstraße. Das Tor dort ist nicht abgeschlossen. Whitney hat’s mir letztes Jahr gezeigt. Hinter dem Tor ist ein Eingang zum Keller. Irgendwelche Penner haben das Schloss schon vor Jahren geknackt.
    Langsam tun mir die Beine weh. Ich glaube, ich hab mir den Knöchel gebrochen, als ich vorhin die Treppe runtergefallen bin. Ich will das Gewicht auf den anderen Fuß verlagern und verliere um ein Haar das Gleichgewicht. Ich zerre an der Kette, bis ich wieder in der Balance bin. Ich umklammere den Türrahmen. Unsere Finger berühren sich.
    – Fass mich bloß nicht an!
    Schweigen.
    – Sag endlich was!
    Himmelarsch.
    – Warum bist du abgehauen?
    Da sagt sie nichts mehr.
    – Dein Dad wollte ja

Weitere Kostenlose Bücher