Stadt Aus Blut
Fett.
Ich schaue woanders hin. Ich will ihre gesunde, gebräunte Haut nicht sehen. Und auch nicht die Stelle, an der sie sich gezwickt hat und an der jetzt das Blut zusammenläuft.
– Hat meine Mutter dich angerufen, nachdem Whitney... du weißt schon. Ist sie deswegen ausgeflippt?
– Wenn ja, hat sie sich’s nicht anmerken lassen.
– Sie lässt sich nie was anmerken. War sie besoffen, als du sie getroffen hast?
– Kann ich nicht sagen.
– Das merken die wenigsten. Ich schon. Ist ganz einfach: Immer, wenn sie nicht schläft, ist sie blau. Hat sie dich angemacht?
– Nein.
Sie schaut mich an.
– Na klar. Ganz bestimmt. Also, hast du sie gefickt?
– Nein.
Sie setzt einen ungläubigen Gesichtsausdruck auf.
– Damit wärst du wohl der Erste.
– Deine Mutter sagt was anderes.
Sie lacht. Aber nicht so, als wäre irgendwas lustig.
– Also.
– Ja?
– Weißt du, was mit Whitney passiert ist?
– Nur so Gerüchte.
– Ein Satanist war’s? Stimmt das?
– Das sagen die Leute.
– Ja genau. Das sagen die Leute.
Sie zieht den Schokoriegel heraus und macht sich wieder an der Schokolade zu schaffen. Ich beobachte sie und versuche, mir die Frage zu verkneifen. Geht nicht.
– Was?
Ich Depp.
– Was soll sein?
– Glaubst du, es war wer anders?
Ich Volldepp.
– Nein.
Ein Stückchen Schokolade verschwindet in ihrem Mund, eins fällt auf den Boden. Und so weiter.
– Aber...
– Ja?
– Ich weiß nicht so recht. Ich hab mir gedacht, vielleicht wollte sie Dad erpressen.
Sie nagt mit den Vorderzähnen das letzte bisschen Schokolade ab, untersucht den Riegel, ob sie auch alles erwischt hat, und wirft den Rest dann in eine Ecke.
Letzten Endes kommt es aufs Gleiche raus.
Angenommen, Whitney wollte ihn mit den Fotos erpressen, hat ihm gedroht, sie seiner Frau zu zeigen. Marilee wäre sicher dankbar für jedes Druckmittel gewesen, für den Fall, dass er versuchen sollte, ihr Amanda wegzunehmen – sie hätte damit zur Presse gehen und seinen Ruf ruinieren können. Oder Whitney hat sie einfach jedem angeboten, der Fotos von Dr. Dale Edward Horde, dem Gründer, Präsidenten, Vorsitzenden und Geschäftsführer von Horde Bio Tech interessant findet, auf jenen er gerade einen Internetpornostar fickt. Also, nehmen wir an, sie hat ihn erpresst. Was dann?
Ich weiß etwas, das Amanda nicht weiß. Ich weiß, dass Whitney sich mit ihrem Dad hier getroffen hat, hier unten auf dem Pappkarton keine drei Meter von uns entfernt. Aber da hatte Whitney schon Bekanntschaft mit etwas viel Schlimmerem als Amandas pädophilem Vater gemacht. Als er sie gevögelt hat, hatte ihr der Überträger schon ein Loch in den Nacken gebissen. Ob Horde das gewusst hat?
Es ist wohl so abgelaufen: Horde ist mit seinem Gorilla (vielleicht der gleiche Typ, der auch Dobbs für ihn umgelegt hat) hier in der Gegend aufgetaucht und hat Whitney gefunden. Selbst ein paar Tage nach der Infektion wäre ihr Hirn noch einigermaßen zu gebrauchen gewesen – auf jeden Fall ihr Sprachzentrum und Teile ihres Kurzzeitgedächtnisses. Möglicherweise hat sie mitbekommen, was mit ihr passiert, und versucht, dagegen anzukämpfen. Horde und sein Leibwächter verhören sie, aber sie schweigt. Horde hält sie wahrscheinlich für eine harte Nuss und peilt nicht, dass ihr das Bakterium einfach schon ein paar Löcher ins Hirn gefressen hat. Egal, sie finden die Bilder und alles, was sie sonst noch gegen Horde in der Hand hat. Aber er ist noch nicht fertig. Er will ihr eine Lektion erteilen, möchte dies aber ungestört tun. Da erinnert er sich an den Ort, an dem Dobbs seine Tochter letztes Jahr gefunden hat. Vielleicht findet er das richtig geil, weil er so Amanda irgendwie näher sein kann. Auf jeden Fall macht es ihm Whitney nicht leicht. Beim Geruch seines lebenden Fleisches muss sie ausgeflippt sein. Hordes Begleiter haben sie am Boden festgehalten, während er sie vergewaltigt. Danach interessiert sie ihn nicht mehr. Er lässt sie einfach zurück, bis sie die zwei Junkies finden, die eigentlich nur ein ruhiges Plätzchen zum Fixen suchen.
Nicht, dass mir das irgendwie weiterhelfen könnte. Es sind nur einige weitere Puzzleteile. Davon wird meine Arbeit nicht einfacher, der Hunger lässt dadurch nicht nach, und die Kleine, die neben mir ein Schläfchen hält, habe ich auch nicht vergessen. Ich spüre trotz allem noch ihre Wärme, als sie sich jetzt enger zusammenrollt und meinen Arm zu sich rüberzieht. In genau demselben Raum, in dem noch der
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