Stadt aus Glas
Brief war das?«
»Der Brief eines Geisteskranken. Er nannte Peter einen Teufel und sagte, der Tag der Abrechnung werde kommen.«
»Haben Sie den Brief noch?«
»Nein. Ich habe ihn vor zwei Jahren der Polizei gegeben.«
»Keine Kopie?«
»Tut mir leid. Halten Sie das für wichtig?«
»Es könnte wichtig sein.«
»Ich kann versuchen, eine für Sie zu bekommen.«
»Ich nehme an, nach diesem einen kamen keine Briefe mehr.«
»Nein, keine mehr. Und jetzt meinen sie, ist Stillman so weit, daß er entlassen werden kann. Das ist jedenfalls die offizielle Ansicht, und ich kann sie nicht aufhalten. Ich glaube aber, Stillman hat einfach seine Lektion gelernt. Er hat begriffen, daß Briefe und Drohungen nur seine Entlassung verhindern.«
»Daher machen Sie sich noch immer Sorgen.«
»Richtig.«
»Aber Sie haben keine genaue Vorstellung davon, was Stillman plant.«
»So ist es.«
»Was soll ich also tun?«
»Ich möchte, daß Sie ihn sorgfältig beobachten. Ich möchte, daß Sie herausbekommen, was er vorhat. Ich möchte, daß Sie ihn von Peter fernhalten.«
»Mit anderen Worten, eine bessere Art von Beschattung.«
»Ich nehme an, ja.«
»Ich glaube, Sie sollten verstehen, daß ich Stillman nicht daran hindern kann, dieses Gebäude aufzusuchen. Alles, was ich tun kann, ist, Sie warnen. Und ich kann es mir zur Aufgabe machen, mit ihm herzukommen.«
»Ich verstehe. Das ist immerhin ein gewisser Schutz.«
»Gut, wie oft soll ich mich bei Ihnen melden?«
»Ich möchte, daß Sie mir jeden Tag berichten. Sagen wir, ein Telefonanruf am Abend, so um zehn oder elf Uhr.«
»Kein Problem.«
»Sonst noch etwas?«
»Nur noch einige Fragen. Ich möchte zum Beispiel gern wissen, wie Sie erfahren haben, daß Stillman morgen abend in der Grand Central ankommt.«
»Ich habe es darauf angelegt, es herauszubekommen, Mr. Auster. Für mich steht zuviel auf dem Spiel, um so etwas dem Zufall zu überlassen. Und wenn Stillman nicht vom Augenblick seiner Ankunft an überwacht wird, könnte er leicht spurlos verschwinden. Ich möchte nicht, daß das geschieht.«
»Mit welchem Zug kommt er?«
»Mit dem um achtzehn Uhr einundvierzig aus Poughkeepsie.«
»Ich nehme an, Sie haben ein Foto von Stillman.«
»Ja, natürlich.«
»Dann ist da noch Peter. Ich möchte wissen, warum Sie ihm das alles überhaupt gesagt haben. Wäre es nicht besser gewesen, es zu verschweigen?«
»Das wollte ich auch. Aber Peter hörte zufällig am anderen Apparat mit, als ich die Nachricht von der Entlassung seines Vaters bekam. Ich konnte nichts dagegen tun. Peter kann sehr hartnäckig sein, und ich habe die Erfahrung gemacht, daß es das beste ist, ihn nicht anzulügen.«
»Eine letzte Frage. Wer hat Sie an mich verwiesen?«
»Mrs. Saavedras Mann, Michael. Er war früher Polizist, und er hörte sich ein wenig um. Er stellte fest, daß Sie für so etwas der beste Mann in der Stadt sind.«
»Sehr schmeichelhaft für mich.«
»Nach allem, was ich bisher von Ihnen gesehen habe, Mr. Auster, bin ich sicher, daß wir den richtigen Mann gefunden haben.«
Quinn nahm das als Stichwort, um aufzustehen. Es war eine Erleichterung, endlich die Beine ausstrecken zu können. Alles war gut gegangen, viel besser, als er erwartet hatte, aber er hatte nun Kopfweh, und sein Körper schmerzte von einer Erschöpfung, wie er sie seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte. Er war sicher, daß er sich verraten würde, wenn er noch lange bliebe.
»Mein Honorar ist hundert Dollar pro Tag plus Spesen«, sagte er. »Wenn Sie mir einen Vorschuß geben könnten, wäre das die Bestätigung dafür, daß ich für Sie arbeite - was uns eine privilegierte Beziehung zwischen Detektiv und Mandant sichern würde. Das heißt, alles, was zwischen uns vorgeht, wäre streng vertraulich.«
Virginia Stillman lächelte wie über einen heimlichen Scherz, den nur sie kannte. Oder vielleicht reagierte sie nur auf die Doppeldeutigkeit seines letzten Satzes. Wie bei so vielen Dingen, die mit ihm in den folgenden Tagen und Wochen geschahen, wußte Quinn nichts mit Sicherheit zu sagen.
»Wieviel hätten Sie gern?« fragte sie.
»Das ist mir gleich. Ich überlasse es Ihnen.«
»Fünfhundert?«
»Ja, das wäre mehr als genug.«
»Gut. Ich hole mein Scheckbuch.« Virginia Stillman stand auf und lächelte Quinn wieder zu. »Ich bringe Ihnen auch ein Bild von Peters Vater mit. Ich glaube, ich weiß, wo es ist.«
Quinn dankte ihr und sagte, er werde warten. Er sah ihr nach, als sie das Zimmer verließ,
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