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Stadt aus Glas

Titel: Stadt aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Schreibtisch war fort, seine Bücher waren fort, die Kinderzeichnungen seines toten Sohnes waren fort. Er ging vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Sein Bett war fort, seine Kommode war fort. Er öffnete die oberste Schublade der Kommode, die jetzt da stand. Damenunterwäsche lag darin in unordentlichen Haufen, Büstenhalter und Slips. Die nächste Schublade enthielt Damenpullover. Weiter ging Quinn nicht. Auf einem Tisch neben dem Bett stand die gerahmte Fotografie eines blonden jungen Mannes mit einem bulligen Gesicht. Ein anderes Foto zeigte denselben jungen Mann, der lächelnd im Schnee stand und den Arm um ein fade aussehendes Mädchen legte. Auch sie lächelte. Hinter ihnen sah man einen Skihang, einen Mann mit einem Paar Skiern über der Schulter und den blauen Winterhimmel. Quinn ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich in einen Sessel. Er sah eine halb gerauchte Zigarette mit Lippenstift daran in einem Aschenbecher. Er zündete sie an und rauchte sie. Dann ging er in die Küche, öffnete den Kühlschrank und fand etwas Orangensaft und einen Wecken Brot. Er trank den Saft, aß drei Schnitten Brot und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo er sich wieder in den Sessel setzte. Eine Viertelstunde später hörte er Schritte die Treppe heraufkommen und ein Klirren von Schlüsseln vor der Tür, dann trat das Mädchen vom Foto in die Wohnung. Sie trug eine weiße Schwesterntracht und hielt einen braunen Einkaufssack in den Armen. Als sie Quinn sah, ließ sie den Sack fallen und schrie. Oder sie schrie zuerst und ließ dann den Sack fallen. Quinn konnte nicht sagen, wie es war. Der Papiersack platzte, als er auf dem Boden aufschlug, und Milch plätscherte in einem weißen Rinnsal auf den Teppichrand zu.
    Quinn stand auf, hob beschwichtigend die Hand und sagte, sie solle unbesorgt sein, er werde ihr nichts tun. Er wolle nur wissen, warum sie in seiner Wohnung wohnte. Er nahm den Schlüssel aus der Tasche und hielt ihn in die Höhe, wie um seine guten Absichten zu beweisen. Er brauchte eine Weile, um sie zu überzeugen, aber schließlich beruhigte sie sich.
    Das bedeutete aber nicht, daß sie ihm traute oder weniger Angst hatte. Sie blieb neben der offenen Tür stehen, bereit, beim ersten Anzeichen von Gefahr hinauszustürzen. Quinn blieb auf Distanz, er wollte die Lage nicht noch verschlimmern. Sein Mund redete weiter und erklärte immer und immer wieder, daß sie in seiner Wohnung lebte. Sie glaubte ihm offensichtlich kein Wort, hörte aber zu, um ihn nicht zu reizen, und hoffte zweifellos, daß er sich bis zur Erschöpfung aussprechen und dann gehen werde.
    »Ich wohne jetzt seit einem Monat hier«, sagte sie.
    »Das ist meine Wohnung. Ich habe einen Mietvertrag für ein Jahr unterschrieben.«
    »Und warum habe ich dann den Schlüssel?« fragte Quinn zum siebenten- oder achtenmal. »Überzeugt Sie das nicht?«
    »Sie können auf hunderterlei Arten zu dem Schlüssel gekommen sein.«
    »Hat man Ihnen nicht gesagt, daß hier jemand wohnt, als Sie die Wohnung mieteten?«
    »Sie sagten, ein Schriftsteller. Aber er ist verschwunden, er hatte seit Monaten seine Miete nicht gezahlt.«
    »Das bin ich!« rief Quinn. »Ich bin der Schriftsteller.«
    Das Mädchen musterte ihn kalt und lachte.
    »Schriftsteller? Das ist das Komischste, was ich je gehört habe. Sehen Sie sich doch an. Soviel Schmutz habe ich in meinem Leben noch nicht gesehen.«
    »Ich hatte in letzter Zeit Schwierigkeiten«, murmelte Quinn als Erklärung. »Aber das geht vorüber.«
    »Der Hauswirt sagte mir, er sei ohnehin froh gewesen, Sie loszuwerden. Er mag keine Mieter, die keine Arbeit haben. Sie verbrauchen zu viel Heizung und machen die Einrichtung kaputt.«
    »Wissen Sie, was mit meinen Sachen geschehen ist?«
    »Was für Sachen?«
    »Meine Bücher, meine Möbel, meine Papiere.«
    »Ich habe keine Ahnung. Sie haben wahrscheinlich verkauft, was sie konnten, und das übrige weggeworfen. Als ich einzog, war alles schon weg.«
    Quinn stieß einen tiefen Seufzer aus. Er war am Ende seiner selbst. Er fühlte es jetzt, so als wäre ihm endlich eine große Wahrheit aufgedämmert. Es war ihm nichts geblieben.
    »Ist Ihnen klar, was das bedeutet?« fragte er.
    »Offen gesagt, es ist mir egal«, antwortete das Mädchen. »Das ist Ihr Problem, nicht meines. Ich möchte nur, daß Sie gehen. Sofort. Das ist meine Wohnung, und ich will Sie nicht mehr sehen. Wenn Sie nicht gehen, rufe ich die Polizei und lasse Sie verhaften.«
    Es hatte keinen Zweck mehr. Er konnte den Rest

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