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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Mückenstiche, explodierte Rokia. »Ihr wisst gar nichts!«, rief sie laut.
    »Schscht!«, zischte die übliche zahnlose Alte durch ihre Lippen. »Mit deiner schrillen Stimme störst du den Hogon bei der Arbeit!«
    »Ich habe keine schrille Stimme! Eine schrille Stimme hat hier nur eine, und das bist du!«
    »Wie kannst du es wagen, so mit einer alten Frau zu reden?« Die Alte sprang auf und hob drohend ihren Arm, als wollte sie sie ohrfeigen.
    Darauf hatte Rokia nur gewartet. Frech hielt sie ihr die Wange hin und forderte sie so auf, sie zu schlagen und damit zu berühren.
    »Nur zu. Ich bin hier. Schlag mich doch, dann holst du dir den Fluch.«
    Wütend zischte die Alte etwas durch ihre Zahnstummel und gab auf. Zouley legte Rokia eine Hand auf die Schulter. »Möchtest du etwas essen?«
    Rokia schüttelte den Kopf und wandte sich an die beiden alten Männer, die ihr den Rücken zukehrten. »Die Geier sind gekommen, da in Tamanè! Und schwarze Schlangen! Ihr wart ja nicht dabei!«
    »Rokia …«, unterbrach sie ihre Mutter.
    »Sie haben alle verjagt! Bei Sonnenuntergang ist das passiert. Und die Schlangen haben nach Großvater gesucht … und sie haben ihm seine Seele geraubt!«, beharrte das Mädchen, doch die beiden alten Männer beachteten sie überhaupt nicht. »Das haben die anderen Geschichtensänger gesagt! Die Schlangen haben Großvater mitgenommen! Und die anderen verschont!«
    Einer der beiden Alten drehte sich um. »Jetzt bringt sie doch zum Schweigen, wenn das möglich ist.«
    »Lass uns wieder ins Haus gehen …«
    Rokia begriff, dass niemand ihr zuhören wollte, und sah ihre Mutter an. »Du glaubst mir doch, Mama?«, fragte sie flehend.
    »Aber sicher glaube ich dir«, antwortete Zouley, aber da sie Rokia so drängte, doch wieder in die Hütte zu gehen, merkte das Mädchen, dass es nicht stimmte.
    »Ich gehe nicht wieder in die Hütte!«
    »Tun wir doch das, was die Ältesten uns raten …«
    »In Tamanè war Bilal aus dem Land des Donners, Mama! Und Bilgo, der aus dem Süden kam! Und alle haben gesagt, das Großvater entführt worden ist …«
    »Ja, sicher. Aber jetzt komm hinein, Rokia.«
    Das Mädchen machte sich los.
    »Ich komme nicht mit hinein! Und du kannst mich nicht dazu zwingen! Du glaubst mir nicht!«
    Und ehe jemand sie mit Gewalt hineinbringen konnte, rannte sie aus dem Hof und vor den misstrauischen Blicken der Anwesenden davon.

    Der Hogon Setuké verließ erst am späten Nachmittag die Hütte seines Bruders.
    Sorgfältig schloss er die Tür hinter sich.
    »Und? Wie geht es ihm?«, fragte Zouley als Erste, während der Rest der Leute sich um ihn scharte.
    Setukés Gesicht wirkte gramerfüllt. Der Priester stützte sich auf seine beiden Stöcke und sagte: »Matuké weilt nicht mehr hier bei uns. Er befindet sich an einem dunklen Ort irgendwo auf der Grenze zwischen Leben und Tod. Er kann nicht essen, er kann nicht schlafen, er kann sich nicht bewegen, ja er erkennt nicht einmal meine Stimme.«
    Setuké schaute seine Nichte an. »Man muss den Körper ständig mit Karité -Butter einreiben, falls seine Seele beschließt, doch wieder in seinen Körper zurückzukehren.«
    »Das werde ich tun.«
    »Und das Feuer im Hof muss Tag und Nacht brennen. Verbrennt duftende Zweige. Die mag er besonders. Ich werde jemanden herschicken, der ab und an eines seiner Lieder spielen wird, um seine Sinne wach zu halten. Wo ist das Mädchen?«
    »Rokia ist fortgelaufen«, antwortete Zouley mit gesenktem Kopf. »Wir haben versucht, sie zu finden, aber … wir wissen nicht, wohin sie gegangen sein könnte.«
    Der Hogon nickte. »Mehr kann man nicht tun.«
    Ohne weitere Erklärungen nahm er seine Stöcke, bahnte sich mit ihnen einen Weg durch die Menge und verschwand.

    Setuké ging tief in düstere Gedanken versunken, die er mit niemandem teilen konnte. Zu viele Fragen, auf die er keine Antwort wusste. War es wirklich das, was sie hatten erreichen wollen?
    Und was sollte man jetzt als Nächstes tun?
    Ohne seinen Bruder fühlte er sich verloren. Außerdem spürte er, dass er einige äußerst wichtige Details der Geschichte nicht kannte. Langsam ging er durch das ganze Dorf, bis zu seinem Haus, das direkt am Hauptplatz des Dorfes und gegenüber des Togu-na , der Versammlungshütte des Ältestenrates, stand. Es hatte zwei Eingangstüren und acht mit Schnitzereien verzierte Stützpfeiler, die das Dach trugen. In der Fassade aus hellen Ziegelsteinen sah man zahlreiche Nischen, in denen Schwalbenfamilien ihre

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