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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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Nester gebaut hatten.
    Als der Hogon den Raum betrat, stieg ihm sofort ein ungewohnter Geruch in die Nase. Er ließ seine beiden Stöcke fallen und suchte die Dinge zusammen, die er gleich benötigen würde. Bevor die Sonne untergegangen war, wollte er noch ein Orakel aufbauen. Er brauchte zumindest einen Hinweis.
    Schon wieder dieser Geruch, dachte er.
    Das Haus lag in einem fast immerwährenden Dunkel. Frisch geschnitzte Holzmasken hingen leicht hin und her schaukelnd von den Deckenbalken. Das Öl, mit dem man sie eingerieben hatte, tropfte langsam zu Boden, wo es sich mit dem Staub zu kleinen dunklen Lachen verband. Trotz der Eile, mit der er alles Notwendige vorbereitete, fiel Setuké zwischen diesen Pfützen etwas Ungewöhnliches ins Auge: der Abdruck eines kleinen Fußes.
    Er tat so, als habe er nichts bemerkt, und suchte weiter die Dinge für das Orakel zusammen. Da war ja der Köder für den Fuchs. Und nun die Farben. Wo hatte er sie hingetan?
    Setuké fand die letzten Behältnisse. Mit einem Seufzer der Erleichterung nahm er ein Gefäß, das aus der Schale der Frucht eines Baobabs gefertigt worden war, und stampfte darin verbrannte Körner, die er mit einer Flüssigkeit beträufelte. Dann hatte er sein Schwarz. In einer anderen Schale mischte er Reispuder und Kalk, um Weiß zu erhalten. Dann noch Wasser mit Ockererde für Rot.
    »Wie lange hast du noch vor, dich dort hinten zu verstecken?«, fragte er laut, während er Kräuter und Reis zu einer grünen Paste zerstampfte.
    Schweigend begutachtete er die vier Farben und füllte sie in Behältnisse ab. Schwarz für die Erde. Weiß für den Tod. Rot für die Energie. Grün zum Wachrufen der Sinne.
    »Ja, ich meine dich«, sagte er, als er erneut durch das dunkle Zimmer lief. »Ich weiß, dass du hier bist.«
    Hinter dem Bett des Hogon raschelte es. Dann tauchten langsam Rokias Haare und ihre großen Ohren auf. Mühsam kam das Mädchen aus seinem Versteck geklettert, mit gesenkten Augen wie jemand, der weiß, dass er etwas angestellt hat.
    »Niemand darf das Haus eines Hogon betreten.«
    »Es tut mir leid, Setuké, aber … ich wusste nicht, wo ich sonst hingehen sollte«, versuchte sich Rokia zu rechtfertigen.
    »Wenn man verwirrt ist, dann ist das noch lange kein Grund, die Regeln zu brechen.«
    »Alle glauben, dass es meine Schuld ist.«
    »Wer glaubt das?«
    »Alle.«
    »Sie irren sich. Das war nicht deine Schuld.«
    »Meinst du das wirklich?«
    »Was ich meine, ist nicht von Bedeutung. Und jetzt geh bitte. Lass mich allein.«
    »Matuké hat mir gesagt, dass du sehr erschöpft bist.«
    Als der Hogon den Namen seines Bruders hörte, drehte er ihr seinen Rücken zu und packte aufgebracht alles zusammen, was er sich für seine heilige Zeremonie zurechtgelegt hatte. »Geh nach Hause.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen«, beharrte Rokia und kam näher. »Ich kann diese Dinge für dich tragen.«
    Doch Setuké ließ nicht zu, dass Rokia das, was er in der Hand hielt, berührte. Seine Augen leuchteten wie glühende Kohle und sein ganzer Körper spannte sich, wie der eines angriffsbereiten Tiers. Er wirkte verkrampft und wütend.
    Rokia ließ sich jedoch nicht abschrecken. Das ist nur eine Maske, dachte sie. Das war genau wie bei Matuké, als er aufhörte, ihr Großvater zu sein, und zum großen Geschichtensänger wurde. Eben: Genauso hat Setuké aufgehört, Setuké zu sein, um zum Hogon zu werden. Vielleicht hatte er schon vor so langer Zeit aufgehört, wirklich Setuké zu sein, dass er nicht mehr wusste, wie er sich wieder in ihn zurückverwandeln sollte.
    »Hör mal, du machst mir keine Angst«, sagte Rokia. »Großvater hat mir gesagt, dass du ein guter Mensch bist.«
    Der Hals des Priesters verkrampfte sich, so dass die Sehnen heraustraten. Er wandte seinen wütenden Blick ab und starrte stattdessen die Deckenbalken an, von denen das Öl der Masken tropfte. »Dein Großvater …«, murmelte er zähneknirschend.
    »Es war der Fürst der Stadt aus Sand«, sagte Rokia.
    Wie ein Blitz fuhr der Hogon herum und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen des Mädchens. »Nein«, sagte er. Ohne sie aus den Augen zu lassen, tunkte er die andere Hand in die weiße Farbmischung und zog einen waagrechten Strich über Rokias Mund, um das Wort, das sie ausgesprochen hatte, auszulöschen. »Du darfst diesen Namen niemals aussprechen, mein Kind. Das ist verboten.«
    Rokia nickte langsam und dachte an die Griot -Frau, die gegen dieses Verbot offen verstoßen hatte. Aber sie

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