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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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nicht tot. Siehst du seine Brust? Merkst du nicht, dass er atmet?«
    Inogo runzelte Augenbrauen und Stirn. »Was erzählst du denn da, Rokia?«
    »Er ist nur … ach, ich weiß auch nicht … so ist das eben!«, fasste Rokia die Situation zusammen. »Und ich glaube, dass wir nichts dagegen tun können.«
    »Dann müssen wir den Hogon fragen.«
    Rokia nickte: Genau das hatte sie auch vor. »Willst du schon einmal vorauslaufen, um ihm Bescheid zu sagen? In der Zwischenzeit bringe ich Großvater nach Hause. Ich bin wirklich sehr müde, weißt du?«
    Inogo rannte los, doch nach ein paar Schritten blieb er stehen, drehte sich zu ihr um und deutete auf sein Bündel und den Speer.
    »Wenn ich vorlaufe, kannst du dann meine Waffe und meinen Proviant nehmen?«, fragte er seine Schwester. »So kann ich schneller rennen.«
    Rokia lächelte. »Sicher. Los, auf! Lauf und hol Setuké!«

    Rokia wartete, bis der Bruder schnell wie eine Ameise davonrannte, dann nahm sie Napoleons Halfter auf. Sie sah ihren Großvater an, und während sie den Esel hinter sich herzog, redete sie in einem fort auf beide ein. So wie sie es schon die ganze Zeit getan hatte. »Hast du Inogo gesehen? Hast du gesehen, was für ein guter Junge er ist? Er hat wirklich das Dorf bewacht, so wie du ihm gesagt hattest.«
    Sie packte dem alten Mann Speer und Brot auf die Knie und legte dann seine Hände darauf. »Willst du ein wenig getrocknete Früchte von Zuhause? Riech nur, wie das duftet! Es ist Mango. Und nach Mama riecht es auch … Diesen Duft würde ich überall erkennen. Das hier ist Inogos Speer. Er ist lang, nicht wahr? Sieht aus wie eine richtige Jagdwaffe. Inogo wird langsam ein erwachsener Mann.«
    Rokia betrat das Dorf durch das westliche Tor, und während sie mit müden Füßen auf ihr Zuhause zustrebte, hörte sie, wie die ersten Rufe von Hütte zu Hütte schallten.
    »Matuké ist zurückgekehrt! Matuké ist zurück.«
    »Hörst du sie rufen, Großvater?«, flüsterte Rokia, die eine seltsame Besorgnis befiel, je mehr sie sich ihrem Heim näherte. »Wir sind da, hast du das gemerkt? O nein, es war ganz einfach, wirklich eine schöne Reise. Nur noch ein paar Schritte, und alles wird wieder gut. Auch Napoleon wird sich nicht mehr beklagen müssen. Es wird alles so wie früher, du wirst schon sehen. Vielleicht sind ja die Hennen von Frau Karembé wieder aus dem Hühnerstall gelaufen? Und sieh hier, was für einen schönen Schatten dein Lieblingsbaum wirft. Du hast wirklich recht. Es ist angenehm kühl hier. Und da ist die Mauer unseres Hofes. Endlich. Schau, Großvater …«
    Zouley erschien mit vor Erstaunen weitaufgerissenem Mund in der Tür. Wortlos ließ sie alles fallen, was sie gerade in der Hand hielt, um zu Rokia zu laufen und sie zu umarmen.
    »Es ist alles in Ordnung, Mama. Wirklich, alles in Ordnung …«, flüsterte das Mädchen mechanisch. »Uns geht es gut, weißt du? Es war eine wunderschöne Reise. Großvater ist nur ein wenig müde, Mama, und er hat sich erschreckt. Ich habe mich auch erschreckt, aber jetzt sind wir ja zu Hause und …«
    »Rokia! Rokia!«, sagte ihre Mutter immer wieder, bis das Mädchen endlich verstummte.
    Zouleys Arme umschlossen sie fest und hoben sie sanft hoch. Und dann spürte Rokia auf einmal, wie schwer ihre Beine wurden, dass ihr Rücken glühend wie Feuer brannte und dass ihr Kopf sich drehte. Ihr war, als liefen ihr ein paar Tränen den Hals hinunter, die ihre Mutter weinte.
    Da sagte sie: »Ich habe mir das Gewand ein wenig schmutzig gemacht, Mama, als ich Großvater festbinden musste. Aber es ist nicht zerrissen. Es ist nur schmutzig.«
    Ihre Mutter presste sie noch fester an sich. Als wollte sie sie erdrücken.
    »Ich bin auch ein wenig müde, Mama.«
    Und nachdem sie das gesagt hatte, legte sie ihren Kopf auf die Schulter ihrer Mutter.

DAS UNGLÜCK
    Als sie erwachte, hatte sie Mühe zu begreifen, wo sie war.
    Sie hatte von ganz viel Wasser geträumt, doch sie konnte sich nicht mehr genau an ihren Traum erinnern. Sie blinzelte, bis sie sich an das Halbdunkel gewöhnt hatte. Die Nachmittagssonne tauchte den Vorhang, der vor dem Eingang der Hütte hing, in einen leuchtenden Kreis.
    Was für ein Vorhang war das? Und was für eine Hütte?
    Dann erinnerte sich Rokia wieder an alles: ihr Weg nach Hause, das Dorf, ihre Hütte, ihr Bett.
    Ruckartig setzte sie sich auf und spürte sofort einen stechenden Schmerz im Kopf.
    Ihre Haut glänzte vor Öl. Jemand hatte ihre achtzig Zöpfchen gelöst, und ihre

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