Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
Vom Netzwerk:
spürte auch, wie sich im Grunde ihres Herzens tiefe Freude ausbreitete, so dass sie fast gelächelt hätte: Der Hogon hatte sie »mein Kind« genannt.

    Rokia kauerte sich auf die Erde, während Setuké sich auf sein Lager aus Stroh setzte. Er sah der Sonne nach, die am Himmel ihre Bahn zog, und befahl ihr: »Erzähl mir, was du gesehen hast. Aber beeil dich, denn wir haben nicht viel Zeit.«
    Rokia sammelte sich erst einen Moment, bevor sie begann, und als sie dann erzählte, fasste sie das Wichtigste kurz zusammen. Doch sie ließ nichts aus und fügte nichts hinzu, zumindest kam es ihr so vor.
    Als sie endete, schien der Hogon von der Dunkelheit in seiner eigenen Hütte verschluckt zu sein. Nur seine wilden Augen glühten in der Finsternis.
    Er sagte kein Wort, hob einige Dinge auf, zeigte Rokia andere und wandte sich dann ab, um nicht mitzubekommen, wie das Mädchen sie nahm. Zum ersten Mal seit langer Zeit gestattete er jemandem, ihm zu helfen.
    Dann wandte er sich zur Tür, nahm seine beiden Stöcke auf und befahl ihr: »Komm mit.«

    Sie verließen das Dorf durch das Tor zum Baobab und liefen in Richtung Brunnen. Der Hogon machte große Schritte, und Rokia musste immer wieder ein wenig rennen, um ihm folgen zu können.
    »Darf ich dich etwas fragen?«, fragte sie ihn, als sie die dunkle Wasseroberfläche des Brunnens erreichten. Setuké antwortete nicht.
    »Wie hast du mich bemerkt?«
    Setuké hing weiterhin seinen Gedanken nach. Er beugte sich zur Erde hinunter, untersuchte sie zunächst mit den Augen, dann mit seinen Fingern.
    »Sand«, sagte er finster.
    »Du hast mich am Sand bemerkt?«
    Der Priester nahm eine Handvoll Sand und warf sie in die Luft. »Ich habe gemeint, dass es immer mehr Sand gibt. Die Wüste breitet sich aus.«
    Setuké hatte recht. Es war erst drei Tage her, dass Rokia hier an der Wasserstelle ihre Canarì gefüllt hatte, und da hatte sie nur ein wenig Sand gesehen, den der Wind in Wirbeln über das Gras jagte, während nun das Gras beinahe verschwunden war, gleichsam unter einer geschlossen gelblichen Decke erstickt.
    »Wie ist das möglich?«, fragte Rokia, erstaunt über diese plötzliche Veränderung. Sie schaute zum Wasserfall hinüber, der ihr nun wie eine dünne Silberkette erschien, die von den schwarzen Steinen geradezu erdrückt wurde.
    »Der Sand breitet sich immer weiter aus, weil sein Herr immer mehr Macht gewinnt.«
    »Sein Herr?«
    »Die Stadt aus Sand ist seine Hauptstadt, und sie befindet sich auf der anderen Seite der Wüste, am Ufer eines großen Flusses. Dort in dieser Richtung«, Setuké stützte fast ungläubig sein Kinn in die Hand.
    »Sprichst du von ….«
    »Ja, ich spreche von dem, dessen Name niemals ausgesprochen werden darf.«
    »Und warum darf man seinen Namen nicht aussprechen?«
    »Wenn man ihn ausspricht, erinnert man sich an ihn. Und wenn man sich an etwas erinnert, lebt es.«
    Der Hogon begann, mit den Spitzen seiner Stöcke einige Quadrate in den Sand zu ziehen. Rokia, die seine unverständlichen Gesten mit den Augen verfolgte, ließ sich auf einen Felsbrocken nieder und überlegte.
    »Musoyuma, die Griot -Frau, hat mir davon erzählt. Und dann hat sie die geballte Faust drohend zum Himmel erhoben.«
    »Die Seele der Geschichtensänger nährt sich auch aus dem Wahn.«
    »Sie haben gesagt, dass die Zeit der Geschichtensänger vorbei ist. Und dass … er … Großvaters Seele geraubt hat, weil Matuké der größte unter ihnen ist.«
    »Mit jedem Geschichtensänger, der stirbt, breitet sich die Wüste weiter aus.«
    »Aber Großvater ist nicht tot! Selbst wenn er seine Seele verloren hat … heißt das noch lange nicht, dass er tot ist. Er hat mir gesagt, dass das passieren kann. Dass ab und zu die Seele den Körper verlässt und sich ein wenig umschaut.«
    »Ja, das kann sie wohl, aber nur für kurze Zeit. Je mehr Zeit verstreicht, desto verlorener fühlt sich der Körper. Und die Seele vergisst den Weg zurück.«
    Setuké zeichnete nun keine Quadrate mehr in den Sand. Er tauchte die Spitzen der beiden Stöcke in die vier Farben und begann, die Umrisse, die er gerade in den Boden geritzt hatte, nachzuziehen.
    »Heißt das, dass Großvaters Seele vielleicht nie mehr den Weg zurückfindet?«
    »Das ist möglich.«
    »Dann müssen wir gehen und sie zurückholen.«
    Setuké ließ sich von Rokia den Köder geben, mit dem er den Fuchs anlocken wollte, und platzierte ihn genau in die Mitte der Quadrate. »Es ist sinnlos, wenn wir aufbrechen, um sie uns

Weitere Kostenlose Bücher