Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
Vom Netzwerk:
seinen Vorräten aus der Baumhöhle holen, in der er es verborgen hatte? Inogo betrachtete nachdenklich den Baum.
    Dann entschied er sich dafür. Es war besser, kein Risiko einzugehen.
    Er legte den Speer auf den Boden, kletterte auf den Baum, holte das Bündel hervor und sprang hinunter auf die Straße. Dann hob er den Speer wieder auf und kehrte auf seinen Posten zurück, nur dass er jetzt das Bündel mit Brot und getrockneten Früchten unter dem Arm hielt.
    »Halt, Fremder!«, sagte er leise zu sich selbst und spielte die Szene noch einmal für sich durch.
    Dieses Pferd war aber wirklich klein.
    Über der Straße flirrte die Luft vor Hitze, so dass alle Umrisse verschwammen. Vielleicht war es ja ein Maultier … oder ein Esel. Schwer beladen. Ja. So wie dieses Tier sich mühsam fortbewegte, konnte es ein Esel mit einer schweren Warenlast sein.
    Und dann konnte diese kleine Gestalt, die ihn hinter sich herzog, nur ein Tablier sein. Selbst wenn er nur so klein war?
    Inogo erinnerte sich daran, dass es in einigen rückständigen Gebieten Afrikas sehr kleine Menschen gab. In den Dörfern, die die Zivilisation noch nicht erreicht hatte. Wo es noch kein Radio gab. Und keine Batterien, die die Radios zum Laufen brachten.
    Wo man nicht einmal wusste, wie man einen Sonnenschirm öffnete.
    Das, was sich da näherte, war bestimmt ein sehr kleiner Tablier aus einem entlegenen Dorf.
    Inogo wartete.
    Der sehr kleine Tablier aus dem entlegenen Dorf kam immer weiter heran, und obwohl Inogo wenig erkennen konnte, weil die Umrisse in der Hitze zitterten und er von der unerbittlichen Sonne geblendet wurde, musste er doch zugeben, dass da noch etwas nicht stimmte.
    Dieser Tablier war wie eine Frau gekleidet.
    Hatte man schon jemals von einer Frau als Tablier gehört?
    Inogo warf einen prüfenden Blick zu der Palisade des Dorfes hinter ihm. Zweihundert Schritte.
    Dann schaute er erneut auf die Straße.
    Nein. Er hatte noch niemals von einer Frau als Tablier gehört.
    »Ach verflixt!«, rief er plötzlich aus. »Das ist ja Rokia.«
    Er warf das Bündel und seinen Speer weg, schob alle Bedenken beiseite und rannte seiner Schwester entgegen.

    Rokia war sehr müde, doch als sie bemerkte, dass Inogo ihr entgegengelaufen kam, fühlte sie sich unendlich erleichtert.
    »Inogo!«, rief sie mit einer vom Durst rau gewordenen Stimme. Sie hatte den ganzen Weg, den sie mit ihrem Großvater zusammen gelaufen war, in umgekehrter Richtung zurückgelegt, ohne sich zu verirren und ohne längere Pause. Trotz Napoleons heftiger Proteste war sie auch die ganze Nacht durchgelaufen.
    Sie war so glücklich, ihren Bruder wiederzusehen, dass sie den Esel losließ und auf Inogo zurannte. Es war unglaublich schön, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Sie fühlte sich, als hätte sie sich aus einer Falle befreit.
    Rokia taten die Knie weh, aber sie lief glücklich weiter: Diesen Baum kannte sie, und die Falaise mit den scharfkantigen Felsvorsprüngen und dem Überhang. Und die Felsen des Wildbachs! Nun waren wohl alle Probleme gelöst.
    »Kleiner Bruder!«
    »Kleine Schwester!«
    Sie umarmten sich in der Staubwolke, die sie selbst mit ihren Füßen aufgewirbelt hatten.
    »Was machst du denn hier so alleine?«
    »Und was machst du hier auf der Straße?«
    »Ich halte Wache, siehst du das denn nicht?«
    »So, ohne eine Waffe?«
    »Nein! Setuké hat mir einen Speer geschenkt!«
    »Und wo ist der?«
    Inogo bemerkte erst jetzt, dass er ihn hatte fallen lassen. »Och, der liegt dahinten.«
    Rokia lächelte. »Ein Tollpatsch wie immer!«
    »Und du? Wo ist Großvater?«
    Rokia biss sich auf die Lippen. »Inogo, es ist etwas Schlimmes passiert.«
    »Mit Großvater? Warum ist er nicht bei dir?«
    Rokia drehte sich zu Napoleon um, der den Moment der Freiheit genutzt hatte, um ein paar Halme zu zupfen.
    Voller böser Vorahnungen rannte Inogo zu dem Tier.
    »Inogo, nein! Geh nicht dahin!«
    Aber es war unmöglich, ihn aufzuhalten. Das, was Inogo aus der Ferne für eine schwere Warenlast gehalten hatte, war in Wirklichkeit sein Großvater, der in einem alten Sattel auf dem Esel saß. Seine Augen waren geschlossen, und daher flüsterte Inogo nun, weil er ihn nicht aufwecken wollte.
    »Warum ist er festgebunden?«
    »Damit er während der Reise nicht herunterfällt.«
    »Hat er die ganze Zeit geschlafen?«
    »Inogo, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber … Großvater schläft nicht. Nein!«, kam sie ihm zuvor und hielt ihn an den Schultern fest. »Aber er ist auch

Weitere Kostenlose Bücher