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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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leid, Herr …«, stotterte Rokia schuldbewusst, weil sie an Ayads Ermahnungen dachte. »Ich wollte gar nicht singen … ich meine … so reden. Das war nur ein Irrtum.«
    Die hängenden Schultern des Mannes zuckten, und man sah ihm an, dass er ein Lachen unterdrückte. Seine rechte Hand, an deren kleinem Finger er einen großen Rubin trug, löste sich von dem Holzknauf, um sein schwarzes Kinnbärtchen zu kraulen. »Wer hat denn gesagt, dass es dir leidtun soll?«
    Rokia schaute verlegen auf den Boden. Ihr Herz schlug wild. Dann sah sie zu Ayad hinüber, der inzwischen weiter eifrig auf Ubalebe einredete.
    »Es ist nur so, mein Freund Ayad hat mir gesagt, dass man hier nicht singen darf«, gestand sie, wobei ihre Stimme immer leiser wurde, bis sie nurmehr einem Flüstern glich.
    Der Mann folgte ihrem Blick und drehte sich um. Er hatte eine kleine, gerade Nase, ein spitzes Kinn und sehr buschige Augenbrauen. »Ayad sagst du? Der Bororo , der dort drüben sitzt?«
    Ayad sprang plötzlich auf, setzte sich wieder hin und sprang erneut auf.
    »Ja, der da mal sitzt, mal steht«, bestätigte Rokia.
    Der Mann strich sich wieder über den Bart. »Dein Freund Ayad hat nur zum Teil recht …«, sagte er nachdenklich. »In der Stadt aus Sand sollte man nicht singen. Aber das heißt noch lange nicht, dass tatsächlich nicht gesungen wird. Vor allen Dingen, wenn jemand so gut singen kann wie du. Wer hat dir das beigebracht?«
    »Mein Großvater«, antwortete Rokia.
    »Und wer war sein Lehrmeister?«
    »Niemand, glaube ich. Er ist ein berühmter … Geschichtensänger.«
    »Und ist er tot?«
    »Nicht so richtig«, antwortete Rokia. »Ich meine … ich weiß es nicht. Genau um das herauszufinden, bin ich hierhergekommen.«
    »Faszinierende Geschichte«, sagte der Mann. »Und wie hieß oder heißt denn dein Großvater?«
    Raogo schmiegte sich um ihre Knöchel und schaute den Mann misstrauisch an. Seine gespitzten Ohren und ihr klopfendes Herz warnten Rokia, nicht direkt darauf zu antworten oder sich lieber eine Lüge auszudenken. Warum wollte der Mann das eigentlich wissen? Wer war er überhaupt? Und warum war er so interessiert an einem einfachen Lied?
    Ein Verdacht schoss ihr durch den Kopf: Vielleicht war dieser elegante Unbekannte der Fürst der Stadt aus Sand höchstpersönlich?
    Sie beschloss, das Risiko einzugehen.
    »Matuké«, antwortete sie leise.
    Der Unbekannte wandte ihr langsam sein Gesicht zu, und seine Augen begannen, Rokia so kühl zu mustern, als würde er einen Diamanten prüfen, den er kaufen wollte. Da er so lange für seine Untersuchung brauchte, vermutete Rokia, dass ihm viele Gedanken durch den Kopf gingen, doch sie hatte nicht die leiseste Ahnung welche.
    Schließlich schien der Mann zufrieden mit dem, was er gesehen oder erahnt hatte. Er nahm seinen Stock und sagte: »Wartet hier auf mich. Ich muss mit diesem Ayad reden.«
    Was meinte er mit Wartet hier auf mich?
    Als er sich zu Ubalebes Salon in Bewegung setzte, bemerkte Rokia, dass hinter ihm noch eine zweite Person gestanden hatte.
    Eine zierliche junge Frau, deren Gesicht sich hinter einem safrangelben Schleier verbarg, über dem ihre mandelförmigen Augen smaragdgrün leuchteten.

    Rokia blieb schüchtern stehen, hielt die Hände über dem Bauch verschränkt und wusste nicht, wohin sie blicken sollte.
    Als der Mann sich entfernte, schaute Raogo ihm nach, stellte die Ohren auf und lauschte misstrauisch.
    Die junge Frau mit dem safrangelben Schleier lachte auf. »Der ist sehr lustig«, sagte sie entschuldigend.
    Von ihr sah man nur die Augen, die Nase und die kleinen Grübchen rund um den Mund. Trotzdem hielt Rokia sie für sehr vertrauenerweckend und meinte deshalb: »O ja. Raogo ist wirklich sehr lustig.«
    »Ist das deiner?«
    »Nein. Der gehört Ayad.«
    »Bist du seine Frau?«
    Rokia verstand nicht sofort, was die andere gemeint hatte. Dann lachte sie: »Wer? Ich? O nein, nein. Ich bin nicht seine Frau.«
    »Seine Tochter?«
    »Nein, das auch nicht. Ich bin nur seine … Freundin.«
    Die Augen des Mädchens trübten sich. »Eine Freundin? Heißt das, er hat dich gerade gekauft?«
    »Gekauft? Nein! Wieso sollte er mich gekauft haben?«
    »Das wäre nicht so ungewöhnlich: Ubalebe kauft und verkauft Sklaven«, fuhr das Mädchen fort, als wäre das völlig normal.
    Irgendetwas in Rokias Kopf machte auf einmal Klick! , und plötzlich sah sie alles in vollkommen anderem Licht: Ayads widerwärtiger Freund, der merkwürdige Salon, der Läufer und der

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