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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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verstanden, worüber wir hier reden«, hatte er entgegnet. »Sie ist wirklich etwas Besonderes .«
    Und während er das sagte, spürte er auf einmal unerwartete Gewissensbisse. Wie diese Mückenstiche, die lange pochend jucken und an denen man auf keinen Fall kratzen darf, damit sie nicht noch weiter anschwellen.
    »Etwas Besonderes? Ich sehe nur ein klapperdürres Mädchen, bei dem man nicht einmal erkennen kann, wie alt es ist …«, hatte Ubalebe daraufhin erklärt und dabei über Ayads Schultern gespäht. »Ich habe noch nicht einmal ihre Zähne gesehen.«
    »Sie sind in bestem Zustand. Und sie isst gut.«
    »Siehst du? Noch etwas, was gegen sie spricht. Wenn sie viel isst, dann kostet sie mehr Unterhalt. Und außerdem …«
    Dann war der Sklavenhändler ins Stocken geraten und hatte sich verkrampft, als er den Mann mit dem Turban bemerkte.
    »Ich möchte über dieses Mädchen reden«, sagte der sofort zu Ayad gewandt und nahm ungebeten Platz.
    »Ihr kommt zu spät, Kabir«, lächelte Ubalebe unsicher. »Denn Herr Ayad hier hat das Geschäft jetzt praktisch abgeschlossen. Nicht wahr, Ayad?«
    »Gewissermaßen«, gab der Tablier zu.
    »Sie ist sehr anmutig«, sagte Kabir. »Und hat intelligente Augen.«
    »Ja«, stimmte ihm Ayad zu. »Das ist wahr.«
    »Und sie singt auch sehr gut …«
    »Hast du sie gehört?«
    »Gerade eben. Genug, um zu begreifen, dass sie Talent hat. Wie alt ist sie?«
    »Ach, zehn, elf … so genau weiß ich das nicht«, musste der Tablier eingestehen.
    Und dabei dachte er: Was geschieht hier, Ayad? Du hast gerade eine ideale Situation vor dir. Die Situation, von der du immer geträumt hast. Zwei Käufer, die sich gegenseitig ausstechen wollen. Und somit die besten Voraussetzungen, um den Preis auszuhandeln.
    Um ihn in die Höhe zu treiben.
    »Wie wir gerade gesagt haben, Kabir …«, versuchte Ubalebe es noch einmal, während ihm der Schweiß von der Stirn tropfte.
    »Wie lange seid Ihr schon in der Stadt?«, fragte Kabir.
    Ayad begriff, was er mit dieser Frage gemeint hatte: Wie viele Menschen waren schon auf das Mädchen aufmerksam geworden? Und er verstand, dass Rokia wirklich ein seltenes Gut war. Er überlegte, was er sagen sollte. Er hätte alles erwidern können. Sich irgendeine Geschichte, ein Märchen ausdenken können und es auf einen Streit zwischen Ubalebe und dem undurchschaubaren Kabir ankommen lassen. Dieser schien in der Lage zu sein, jeden Preis zu bezahlen, den Ayad sich zu verlangen traute.
    Doch statt wie gewöhnlich das Blaue vom Himmel herunterzulügen, antwortete er schlicht: »Wir sind gerade erst angekommen. Rokia sucht … ihren Großvater.«
    »Eine wichtige Suche.«
    »So scheint es.«
    Als Ubalebe merkte, dass ihm die Felle davonzuschwimmen drohten, suchte er hinter dem durchgelegenen Sofa noch ein Bündel Geldscheine hervor und begann sie umständlich zu zählen. »Es tut mir ja sehr leid für den Großvater, aber ich denke, dass wir das Ganze so zu einem guten Abschluss bringen, was meinst du?«
    »Und Ihr begleitet sie auf dieser Suche?«, fragte Kabir weiter und schaute Ayad geradewegs in seine Augen.
    »Bis jetzt … ja«, stotterte er, die Hände auf dem blauen Kästchen, das mit einem Vorhängeschloss versperrt war.
    »Ihr seid ein edler Mann.«
    »Na ja«, murmelte der Händler und fühlte, wie brennende Röte seine Haut überzog.
    »Und mit denen hier wären es zehntausend, Ayad«, beendete Ubalebe seine Zählerei. »Kann ich sie mir jetzt holen?«
    Ayad sah auf die vielen großen Geldscheine und schluckte vernehmlich. Zehntausend war mehr als doppelt so viel, wie er sich erhofft hatte. Sie bedeuteten das Ende eines entbehrungsreichen Lebens auf den Karawanenstraßen. Ein richtiges Haus, ein Dach über dem Kopf, eine Stadt. Vielleicht sogar eine Frau. Ein paar Kinder. Ein Dutzend Kinder.
    Er starrte Kabir an, der den Sklavenhändler noch keines Wortes gewürdigt hatte und neben ihm saß, die Hände auf den Knauf seines Gehstocks gestützt.
    Und wartete.
    Zehntausend: der Himmel auf Erden.
    Warum konnte er sich dann nicht freuen?
    In dem Kästchen aus blauem Holz zwischen seinen Knien lag der Reisebeutel des Großvaters, den Rokia verloren zu haben glaubte. Ayad hatte sie von dem ersten Moment ihrer Begegnung an betrogen. Er hatte ein Kind betrogen, das ihm vertraut und sich um ihn gekümmert hatte. Ein Kind, das sich sogar Sorgen um ihn gemacht hatte. Pass auf dich auf, Ayad, dein Freund wirkt nicht gerade vertrauenerweckend, hatte sie

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