Stadt aus Sand (German Edition)
aus, um zu sehen, was passiert war.
Dann spürte Rokia, wie das Fahrzeug ruckelte, hörte einige Münzen klimpern und gleich darauf Baawas Stimme, die klagte: »Da zsch i zsch t doch verrückt!«
Der Trödler nahm hinter dem Lenkrad Platz, holte sich die Zügel durch den Rahmen der Windschutzscheibe und entrollte sie. »Die zsch e Wachen zsch ind mittlerweile wirklich unmöglich. Haben zsch ie dir weh getan, mein Äffchen?«
Das Tier jammerte.
»Und au zsch erdem dumm!«, fügte er hinzu, während sie weiterfuhren. »Wirklich gan zsch, gan zsch dumm! Wir zsch ind e zsch doch nur! Die zsch elben wie bei der Hinfahrt! Die wollten blo zsch Geld, da zsch i zsch t alle zsch ! Die wollten blo zsch Geld!«
Rokia, die sich hinten im Stroh eingerollt hatte, muste über seine Klagen lächeln.
Der Tunnel führte allmählich nach unten, und durch den rhythmisch wiegenden Schritt des Nashorns nickte Rokia ein. Bis sie plötzlich ein Geräusch aus dem Schlaf schreckte: Jemand hatte das Geschirr des Nashorns vom Fahrzeug gelöst und es klirrend auf den Boden geworfen.
Das Mädchen rieb sich die Augen, doch das half wenig: Es war vollkommen dunkel. Baawa ging einmal halb um den Transporter herum, dann verschwand er. Rokia schlüpfte auf allen vieren aus ihrem Versteck und versuchte zu begreifen, wo sie gelandet waren. Sie konnte gerade ein paar undeutliche Schatten erkennen, die sich in dieser allgemeinen dunkelvioletten Finsternis bewegten: Die beiden Äffchen kletterten eine schmale Treppe nach oben. Und Baawa folgte ihnen.
Vorsichtig lauschend stieg Rokia aus dem Fahrzeug. Irgendwo vor ihr hörte sie das Nashorn schnauben. Und dann hörte sie, wie es sich an einem Felsen rieb und durch die Dunkelheit grunzte.
Da sie nicht irgendwo gegenstoßen wollte, streckte sie die Arme vor und ging los. Als sie an eine Wand kam, stützte sie sich dort ab. Die Mauer fühlte sich kalt an. Mit äußerster Vorsicht ging Rokia um sie herum und kam schließlich an den Fuß der Treppe, auf der Baawa und die Äffchen verschwunden waren.
Sie meinte, über sich den Schein einiger Kerzen zu sehen und hörte, wie jemand Teller auf einen Tisch stellte. Jetzt wusste sie, wo sie war: bei Baawa zu Hause.
»Schafft ihr es?«, fragte Setuké und wandte sich zu Rokias beiden größeren Brüdern um, die ihn auf seinem Aufstieg begleiteten.
Es war beinahe Abend. Ogoibélou und Serou gingen vorsichtig vorwärts, verlagerten häufig das Gewicht von einem Fuß auf den anderen und überprüften zunächst mit den Händen, ob sie Halt fanden, ehe sie weiter nach oben kletterten. Ogoibélou antwortete für sie beide: »Sicher, Setuké! Lass uns weitergehen!«
»Sicher?«
»Für wen hältst du uns? Für Aotyé?«, versuchte Ogoibélou zu scherzen, doch es gelang ihm nicht, wagemutig zu klingen. Um dem kleineren Bruder, der hinter ihm ging, zu helfen, vermied er es, selbst nach unten zu schauen.
Serou war bleich und schwitzte. Er klammerte sich mit den Händen an der Falaise fest, fürchtete sich beim kleinsten Windhauch, und seinen zusammengepressten Kiefern konnte man ansehen, wie verkrampft er von diesem langen Aufstieg war.
Setuké schob sich die rote Kopfbedeckung eines Hogon aus der Stirn und stieg weiter nach oben. Er wusste, dass es ein riskantes Unternehmen war, aber er wusste genauso, wie wichtig es war, vor Einbruch der Nacht auf der Hochebene der Falaise anzukommen.
Und mittlerweile blieb nur noch wenig Zeit.
Vor allem, wenn er sie ständig damit vergeuden musste, auf diese beiden Angeber achtzugeben.
Wendig wie ein Affe und entschlossen wie jemand, der nichts zu verbergen hat, folgte Setuké unsichtbaren Pfaden und zog sich an Vorsprüngen hoch, die nur er erkennen konnte.
Stillschweigend kletterten sie immer weiter bergauf.
Setuké trug seine Sandalen, während die beiden Brüder meinten, mit nackten Füßen besser voranzukommen, und er hatte sich seinen prall gefüllten Beutel mit den rituellen Gegenständen über den Rücken gehängt, während die Brüder auf dem Weg nach und nach ihre Reisebeutel, Speere, Trinkhörner und überhaupt alles, mit dem sie aufgebrochen waren, abgelegt hatten.
»Das ist die schwierigste Stelle«, erklärte der Hogon . Er balancierte über dem Abgrund und tastete mit den Händen eine Felsplatte ab. »Ihr müsst hier Halt suchen und dann …«
Setuké zog sich allein mit der Kraft seiner Arme hoch, und sobald er oben auf der Platte war, kniete er sich hin, um den beiden Brüdern zu helfen.
Ogoibélou
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