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Stadt aus Sand (German Edition)

Stadt aus Sand (German Edition)

Titel: Stadt aus Sand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierdomenico Baccalario , Enzo d'Alò , Gaston Kaboré
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sogar kleine abgenagte Knochen.
    Das Zimmer hatte einen weiteren Ausgang, der von einer kleinen Holztür nur ungenügend verschlossen wurde. Und wie Rokia unschwer am Gestank erkennen konnte, war dort die Latrine. »Hundert Geld zsch tücke für mich!«, trällerte Baawa in dem Bottich, schüttete sich eine Kelle Wasser ins Gesicht und pustete die Tropfen von den Lippen. »Brufff! Bruuufff! Noch einmal hundert Geld zsch tücke für mich!«
    Der Seelentrödler lehnte sich zurück und ließ sich von den Äffchen die Flöhe aus den Haaren picken. Er lachte und tastete mit geschlossenen Augen nach etwas, womit er sich abtrocknen konnte.
    Rokia zog sich in eine dunkle Ecke zurück
    Als sie wieder aufschaute, war Baawa aufgestanden. Seine Haut war so bleich wie die einer Kröte oder eines anderen Wesens, das gewohnt war, fernab vom Sonnenlicht zu leben. Der Mann streichelte liebevoll die Geldkörbe. Er öffnete den größeren, schloss ihn wieder, dann suchte er sich eine Kerze und ging in Richtung Gang.
    Das Mädchen versteckte sich hinter einem Wachshaufen und sah Baawas Schatten wenige Meter neben sich vorübergleiten. Der Mann ging den Gang entlang, überprüfte nacheinander jede Öffnung in den Wänden, beugte sich nach unten und tastete vorsichtig im Stroh, genauso wie Frau Karembé, wenn sie nach Eiern suchte.
    » Zsch u viel de zsch Guten! Zsch u viel de zsch Guten, wenn ich zsch on eine neue Ampulle bekommen hätte!«, murmelte er, als er seinen Kontrollgang beendet hatte.
    Als er die letzte Öffnung erreichte, leuchtete er mit der Kerze hinein und holte ein starkes Seil heraus, das er an dem Henkel des mit Geld gefüllten Korbes festband. Dann zog er zweimal daran, und der Korb verschwand im Schacht.
    Baawa gähnte, bevor er in sein Zimmer zurückging, wo er erschöpft auf sein Lager sank.

    Rokia kehrte langsam in den Gang zurück und versuchte, möglichst leise zu sein.
    Aus der Öffnung, in der das Geld verschwunden war, strömte schubweise warme Luft. Dort musste es nach oben gehen. Rokia steckte erst ihren Kopf hinein, dann folgten ihre Schultern und der Rest ihres Körpers. Der Schacht stieg nach oben an und war weit genug, dass sie hindurchpasste, aber nicht zu steil, dass sie abrutschen würde. Doch er war vollkommen dunkel. Und wer weiß wie lang.
    Rokia versuchte, auf dem Bauch vorwärtszukommen. Als Erstes schob sie die Ellenbogen vor, dann zog sie die Schultern nach und drückte sich zuletzt mit den Füßen ab.
    Der Schacht war zwar eine ungewohnte Erfahrung für sie, aber er jagte ihr keine Angst ein. Sie wunderte sich nur darüber, wie deutlich sie ihren Atem und ihren Herzschlag vernehmen konnte.
    Und wie warm es dort drinnen war.
    Etwas Weiches fiel ihr auf den Kopf: Es war das Seil, an das Baawa den Korb gebunden hatte und das nun wieder heruntergelassen worden war.
    Rokia packte es und überlegte dabei, wer auf der anderen Seite des Seiles sein konnte.
    »Meinst du, dass es gefährlich ist, Großvater?«, fragte sich Rokia leise.
    Bestimmt viel zu gefährlich, dachte sie.
    Sie kletterte noch ein Stück den Schacht hinauf, doch nun wurde er steiler, und sie rutschte bei jeder Vorwärtsbewegung immer wieder nach unten zurück.
    Rokia war schweißgebadet, aber fest entschlossen, nicht umzudrehen. Als sie den Kopf hob, spürte sie, wie der warme Lufthauch ihr jetzt stärker über das Gesicht strich. Daher glaubte sie, es könne nicht mehr weit bis zur Oberfläche sein.
    »Wer sich nicht zu springen traut …«, sagte sie zu sich, »wird nie über den Bach kommen.«
    Auch wenn sie jetzt nicht unbedingt springen musste.
    Entschlossen packte sie das Seil, das neben ihr baumelte, und zupfte zweimal kurz daran.

    Rokia wurde kräftig nach oben gezogen.
    Sie glitt durch den Schacht wie ein Pfeil durch ein Blasrohr. Ihre Hände, die das Seil umklammerten, brannten. Ihre Schultern wurden so heftig gegen die Wände des Schachtes geschleudert, dass ihre Kleider zerrissen. Aber das alles dauerte so kurz, dass sie keine Zeit zu reagieren hatte: Plötzlich lag sie irgendwo auf dem Rücken, ohne dass sie begriffen hatte, was passiert war.
    Als Erstes sah sie das Sonnenlicht, das durch einige kleine Fenster und durch einen Spalt bei einem Tor hereindrang. Als Rokia eine Bewegung machte, bewegte sich alles unter ihr klimpernd mit: Sie lag auf einem kleinen Berg von Geldkörben.
    Das Mädchen sah sich um und versuchte, sich einen Eindruck von dem Raum zu verschaffen, in dem sie sich befand. Auf den ersten Blick

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