Stadt der blauen Paläste
Riccardo und ich, fanden sie natürlich wunderbar, auch wenn wir beide vermutlich nie auf solch eine Idee gekommen wären. Aber wir fühlten uns wie Krösus, dass wir solche grandiosen Geschenke machen konnten und niemand wusste davon.«
Crestina hielt das Buch geöffnet auf ihrem Schoß und blickte über die Lagune.
»Wie oft in all den Jahren in fremden Städten habe ich daran gedacht, ob sie wohl noch existieren, unsere blauen Paläste. Ich nahm an, sie seien längst verschollen, irgendwo, als Bartolomeo damals unseren Palazzo an sich gerissen hatte.«
Sie legte die Hand auf seinen Arm.
»Du hattest sie aufgehoben«, sagte sie dann leise.
»Ich hatte sie aufgehoben. Und irgendwann gedruckt. Und ich ließ sie binden, bevor ich jetzt von Basel zurückkehrte und erfuhr, dass du wieder in der Stadt bist. Heute war einer meiner ersten Gänge in die Stadt.«
»Und, und«, Crestina stockte, »soll das nun ein Geburtstagsgeschenk sein? Dann müsste ich noch lange warten, mein Geburtstag ist erst in fünf Monaten.«
Leonardo lachte.
»Das weiß ich. Nein, es sollte eigentlich kein Geburtstagsgeschenk sein, sondern ein Hochzeitsgeschenk«, sagte er dann ernst und legte Crestina die Hand auf den Arm.
Crestina starrte ihn verblüfft an.
»Ein was?«
»Nun, ein Hochzeitsgeschenk«, erwiderte Leonardo, stand auf, machte eine Verbeugung und setzte sich wieder. »Andere Männer schenken der Frau, die sie lieben, wertvollen Schmuck oder kostbare Pelze, teure Kleider. Ich mache Bücher. Also schenke ich dir ein Buch. Ein blaues Buch mit blauen Palästen.«
Crestina schluckte.
»Weißt du eigentlich, wovon du da sprichst?«
Leonardo lachte.
»Natürlich weiß ich das. Ich weiß sogar noch viel mehr. Ich weiß zum Beispiel, was du mir nun zur Antwort geben wirst.«
»Und was werde ich dir zur Antwort geben?«
»Nun, dass wir inzwischen schon alte Leute sind, dass wir unser Leben schon weitgehend hinter uns haben, dass wir keine gemeinsamen Kinder mehr haben können. Aber das brauchen wir ja auch nicht. Du hast Kinder und bei der Pflege der deinen kann ich dir ganz gewiss behilflich sein.«
Crestina schaute vor sich hin, dann liefen ihr plötzlich Tränen die Wangen hinunter.
»Um Himmels willen, was hast du?«, fragte Leonardo bestürzt.
Crestina ließ sich an Leonardos Schulter sinken und schluchzte stärker.
»Mein Sohn Ludovico ist mit einem Sklavenhändler nach Barbados abgesegelt, meine Tochter Bianca liebt einen Mann, der sich ganz gewiss nichts aus ihr macht, außerdem ist sie viel zu jung zum Heiraten. Meine Freundin Lea aus dem Chazer hatte neulich die Idee, zum Islam überzutreten, weil der Messias wieder einmal der falsche Messias war und weil sich dieser Sabbatai Zwi vor den Schergen Konstantinopels nur dadurch retten konnte, dass er Moslem wurde. Meine andere Freundin Margarete hat vor, ins Weihrauchland zu reisen und will meine Tochter Bianca mitnehmen und in Zelten schlafen lassen, damit sie diesen Mann, der sie nicht gebrauchen kann, vergisst. Und mein ältester Sohn Clemens hält es nicht mehr zu Hause aus in all dem Streit und hat sich neulich überlegt, ob er die Salzfelder, die schon seit Hunderten von Jahren im Besitz der Familie meines verstorbenen Mannes Renzo sind, verkaufen und einfach mit einem unserer Schiffe nach Konstantinopel zurückgehen soll. Was er inzwischen natürlich alles allein entscheiden kann, da ich ihm die Reederei übergeben habe.«
»Und du, was möchtest du?«, fragte Leonardo sanft.
»Ich möchte, dass es jemanden gibt, der mir Ratschläge gibt, was ich mit diesem ganzen Tohuwabohu anfangen soll.«
»Nach was riechst du eigentlich?«, fragte Leonardo plötzlich, und zog die Nase hoch. »Die ganze Zeit über denke ich schon, was das für eine Pflanze ist. Es riecht sehr exotisch. Was ist das für ein interessanter Duft?«
»Zibet«, murmelte Crestina und schüttelte sich, »aber glaub nur nicht, dass ich freiwillig nach dem Duft der Analdrüsen irgendwelcher Zibetkatzen in Afrika riechen möchte. Alle paar Tage werfen Margaretes Helferinnen irgendein anderes Flakon auf den Boden oder kippen eine brodelnde Essenz aus. Bei uns riecht es die meiste Zeit wie in einem Bordell. Und da diese Mädchen oft unterwegs sind, kann ich die Scherben wegkehren, weil sie mich ganz offensichtlich immer noch für eine niedere Dienstmagd halten und sich selber für die Hüterinnen dieses Palazzos.«
Leonardo lachte und zog Crestina zu sich herüber.
»Also, ich sehe, dass du
Weitere Kostenlose Bücher