Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
Vom Netzwerk:
erzählst.«
    »Drei Kinder großgezogen«, sagte Lea seufzend, »und keines hat auch nur die Hälfte der Mühe gemacht wie dieses. Aber gar keine Kinder zu haben, ist natürlich auch nicht das Richtige«, fuhr sie dann fort und hastete mit ihrem schweren Korb davon. »Und ich bin schon mehr als froh, wenn er mich nicht wieder mit diesem Livorno quält.«
    Crestina blieb stehen und starrte ihr nach. Sie sah auf ihren halb leeren Korb, den sie mitgenommen hatte, um für den Sonntag einzukaufen.
    Und sie fragte sich, ob sie vermutlich nicht lieber sämtliche Schwierigkeiten, die Lea mit Moise hatte, auf sich nehmen würde, als ständig mit nur halb gefüllten Körben am Wochenende in eine leere Wohnung zurückzukommen.

12. L EBENSPLÄNE
    »Was, um Himmels willen, stinkt hier so infernalisch?«, fragte Crestina entsetzt.
    Sie stand an der Tür zu den helmbrechtschen Kammern im fondaco , die sie diesmal auf Anhieb gefunden hatte, und starrte auf Margarete hinunter, die auf dem Boden saß, inmitten eines Berges beschriebener Papiere.
    »Was machst du denn da?«
    »Doppelte Buchführung«, sagte Margarete mit zusammengekniffenen Lippen.
    »Du machst was?«, fragte Crestina und sog weiterhin die Luft ein.
    »Doppelte Buchführung«, wiederholte Margarete um eine Spur lauter. »Noch nie etwas davon gehört? Dass Venedig nahezu ein Mekka ist für diese seltsame Art der Buchführung, die offenbar nur hier mit aller Gründlichkeit gelernt werden kann, wie alle Welt weiß?«
    »Und wieso machst du diese doppelte Buchführung, wenn du sie schon machst, auf dem Boden und nicht auf dem Tisch? Und weshalb stinkt es hier so?«
    »Riech an dem Tisch, dann weißt du es«, gab Margarete zurück. »Und im Übrigen habe ich das Fenster offen, wie du siehst. Aber es dauert wohl noch eine Weile, bis es vorbei ist. Mach vor allem die Tür zu, es braucht nicht jeder zu wissen, was ich hier tue.«
    Crestina ging zum Tisch, beugte den Kopf darüber. Der Geruch, den sie beim Eintreten wahrgenommen hatte, war hier noch um einiges stärker.
    »Es riecht nicht eben gut«, sagte sie stirnrunzelnd. »Dieser Geruch ist mir noch nie begegnet.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Margarete stolz, stand auf und streckte sich. »Es ist eine völlig neue Sache.«
    »Was für eine Sache denn?«
    »Nun, ich sagte doch neulich zu dir, dass ich noch immer auf eine Idee warte, was ich in Zukunft machen könnte. Und seit einigen Tagen weiß ich es. Komm, setz dich«, sagte sie und schob Crestina zu einem Stuhl. »Nein, nicht auf den«, warnte sie dann hastig, »der riecht genauso wie der Tisch. Und der Geruch – wenn du willst, kannst du auch ohne weiteres sagen, der Gestank – ist Zibet.«
    »Zibet?« Crestina runzelte die Stirn. »Hat das nicht etwas mit irgendwelchen Katzen zu tun?«
    »Du bist ein kluges Kind«, lobte Margarete. »Mit der Zibetkatze. Und ihren Afterdrüsen. Und bevor du jetzt weiterfragst, erzähl ich dir die ganze Sache. Manches im Leben ist Zufall, darüber brauchen wir gewiss nicht zu diskutieren, manches Glück. Und Zufall war, dass ich vor einigen Tagen mit einem Mann ein Geschäft abschließen durfte, was mir der Faktor gnädigerweise erlaubte, also mit einem Mann, der mit Essenzen handelt. Er hatte sie aus dem Orient mitgebracht und wollte sie weiterverkaufen, unter anderem auch an uns. Aber mein Bruder hatte kein Interesse an diesem Geschäft, weil er gerade am Verhandeln und am Streiten ist wegen einhundert Treibharnischen, bei denen die Ätzungen falsch sein sollten – was die Nürnberger Ätzmaler aufs Höchste erboste. Und Schreck war der Meinung, wenn er an so etwas wie diesen lästigen Gerüchen – also nicht unbedingt an dem Zibet – Bedarf habe, dann gehe er in die ›Stufe‹, da gehöre es mit zum Preis. Und meine Mutter würde mich mit dem Rohrstock jagen, wenn ich ihr mit solchen Dingen unter die Nase käme. Selbst dann, wenn man damit ein gutes Geschäft machen könne. Nun, auf jeden Fall hatte dieser Mann ein winziges Fläschchen mit Zibet bei sich, an dem er mich riechen ließ. Mein Bruder brauchte allerdings fast eine Schüssel, als er ebenfalls daran roch, aber mich reizte dieser Geruch. Weshalb, weiß ich nicht. Aber während ich am Abend in meinem Bett lag, kam mir plötzlich die große Erleuchtung: Mit diesem ungewöhnlichen Geruch könnte man etwas machen. Selbstverständlich nicht in dieser Menge, wie du sie jetzt hier riechst, lediglich mit Tropfen.«
    Crestina starrte die Freundin an.
    »Und wieso kam

Weitere Kostenlose Bücher