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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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seiner kränklichen Frau, zählen nicht. Sie sitzen stumm am Tisch, und in der restlichen Zeit ist Agnes mit ihnen beschäftigt. Und sie drillt sie schon jetzt für diese idiotische Aussteuer. Genauso, wie man sie einst gedrillt hat. Sie gibt es weiter, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Und was mit mir eines Tages wird, ob ich möglicherweise ja vielleicht auch irgendwelche Wünsche haben könnte für mein späteres Leben, dafür interessiert sich niemand in dieser Familie.«
    Crestina seufzte, kam sich plötzlich frei vor wie ein Vogel im steilen Flug nach oben, dann nahm sie Margarete das Tuch aus der Hand, mit dem sie verbissen auf dem Tisch hin und her rieb.
    »Zunächst hieß es, ich solle diesen Faktor hier in Venedig vertreten. Vertreten, verstehst du?«, sagte Margarete zornig. »Nicht, dass sie mir etwa zugetraut hätten, dass ich eine Sache richtig mache, allein. Sie wollten lediglich, dass ich mich bewähre. Bewähre«, sagte Margarete und riss Crestina den Lappen wieder aus der Hand. »Es geht nicht um diesen Mann, den ich nicht mag, und er mag mich vermutlich genauso wenig. Er weiß, dass ich ihn ganz gewiss nie heiraten werde. Es geht um ihren Dünkel, ihren Hochmut und ihr totales Unverständnis einer Frau gegenüber, die ein Mensch sein möchte, genauso wie andere Menschen auch: eine Frau. Eine Frau, die Geschäfte machen will.«
    »Aber deine Mutter macht doch auch Geschäfte«, sagte Crestina irritiert, »weshalb du nicht?«
    »Damit du als Frau in unseren Landen Geschäfte machen darfst, brauchst du zunächst einmal einen Mann, einen toten Mann, wohlgemerkt. Wenn du das geschafft hast, bist du wer, als Frau. Vorher nicht.«
    »Ich denke, es gibt bei euch in Nürnberg doch eine ganze Reihe von Berufen, die Frauen ausüben können, Hebamme zum Beispiel –«
    »Ich rede nicht von Hebammen, nicht von den Keuflinnen am Säumarkt«, unterbrach Margarete heftig, »auch nicht von den Wildnerinnen, den Nusserinnen, den Fischhändlerinnen, den Gärtnerinnen, noch von den Berufen, die üblicherweise von Männern ausgeübt werden: von den Frauen, die bei den Dachdeckern Ziegel schleppen, bei den Blechschmieden den Blasebalg bedienen, oder Kettenhemden herstellen müssen. Ich rede von den Schwierigkeiten, als Frau den eigenen Weg zu finden. Und dazu gehört ganz gewiss das Gewerbe einer Frau, die sich auf Essenzen versteht.«
    »Ich dachte immer, das Geschäft mit den Gewürzen hätten sie dir überlassen?«
    »Das Geschäft mit den Gewürzen schon. Solange dieser Faktor nicht in Venedig war. Vor allem auch deswegen, weil sein Italienisch miserabel ist und Venezianisch versteht er schon gleich gar nicht. Und Essenzen sind etwas anderes als Gewürze.«
    »Wieso verstehst du es eigentlich, das Venezianisch? Da hab selbst ich noch manchmal Schwierigkeiten, und ich bin schon ein Leben lang hier.«
    »Weil ich es in Nürnberg gelernt hab, von einer Venezianerin, die dort verheiratet ist. Monatelang. Und jetzt sehe ich nicht ein, dass ich diesem Dummkopf von Faktor mein Venezianisch zur Verfügung stellen soll und er dann die Sahne abstreichen kann.«
    »Was willst du denn dann machen?«
    »Das weiß ich eben noch nicht genau. Ich weiß nur eines ganz gewiss, dass ich diesen Mann nicht heirate.« Sie machte eine Pause. »Ich habe mir übrigens schon eine Kammer genommen«, fügte sie dann hinzu. »Dort kann ich schon mal ein bisschen experimentieren. Primitiv, aber wenn ich mein Zibet noch einmal umkippe, dann setzt mich meine Wirtin gewiss vor die Tür.«
    »Eine Kammer?«, fragte Crestina verblüfft. »Und wo? Du hast doch schon eine Kammer bei dieser Wollfrau in Cannaregio.«
    »Natürlich geht es dort nicht, da schlafe ich ja. Die jetzige Kammer ist in Murano.«
    Sie machte eine Pause.
    »Ich weiß, es ist umständlich«, fügte sie hinzu, als sie Crestinas Gesicht sah, »aber es kommt mir sehr entgegen.«
    »In Murano?« Crestina schüttelte den Kopf. »Ergibt das einen Sinn?«
    Margarete zögerte.
    »Ich hoffe«, sagte sie dann lächelnd. »Zumindest mal können sie mir dort meine Flakons anfertigen. Ich kenne da einen Glasbläser, der sehr daran interessiert ist, an dieser ganzen Sache. Nein, sag jetzt nichts«, wehrte sie ab. »Ich musste einfach Dinge tun, bevor sie mir aus der Hand genommen werden.«
    »Soll das etwa heißen, dass du diese ›Erleuchtung‹ durchsetzen willst gegen den Willen deiner Familie?«
    »Hör zu, sie sind Waffen- und Rüstungshändler! Ihre Freunde sind Büchsenhändler,

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