Stadt der blauen Paläste
Klingenhändler, Nägelhändler und Messerhändler. Die Meisterstücke der Plattner kannst du in den Meisterbüchern nachlesen. Und vielleicht hat mein Bruder aus der Zeit, in der er mit meinem Vater arbeitete, auch noch irgendwelche Kenntnisse von Safran, Nelken und Zimt. Aber von Parfum verstehen sie nichts, überhaupt nichts. Du kannst ihnen glatt einen Geißblattduft mit Bergamotte anbieten oder Ingwer mit Schwarzkümmel, und sie sehen da kaum einen Unterschied. Und außerdem verachten sie die Sache, weil es in ihren Augen etwas ist, das für Frauenhäuser gut ist und sonst zu überhaupt nichts dient. Die Leute sollen sich waschen, sagt meine Mutter brutal, nicht ihre Körpergerüche übertünchen. Aber immerhin könnte ich schon jetzt von meinen Essenzen, die ich aufkaufe und weiterverkaufe, leben. Nicht besonders üppig, aber es würde gehen. Und dann gibt es noch ein kleines Erbteil meiner Großmutter, an das die Familie auf Grund einer Klausel nicht herankann. Und im Übrigen ist bis jetzt ohnehin alles geheim. Ich bin nicht mal sicher, ob ich diese Familie überhaupt noch einmal sehe, solange sie hier ist. Wobei ich nicht weiß, wie lange sie dieser verrückten Idee nachrennen und wie ernst es ihnen damit ist.«
»Du meinst, um sich nach einem Palazzo umzusehen?«, sagte Crestina auflachend. »Meinst du wirklich, dass sie das im Sinn haben?«
»Ich vermute schon. Meine Mutter ist inzwischen vom Ehrgeiz nahezu zerfressen. Ein Palazzo, ganz gleich welcher, steckt ihr nun mal im Kopf. Sie träumt von Enkelkindern, starken kräftigen Buben selbstverständlich, die durch diesen Palazzo toben. Unser Haus in Nürnberg eignet sich dazu ganz und gar nicht.«
»Und die Restfamilie will das auch?«, zweifelte Crestina.
»Schreck ist ein geiler Bock«, sagte Margarete zornig. »Er konnte schon, als ich gerade zwölf war, nicht die Finger von mir lassen, und vermutlich hat er die Strapazen dieser Reise überhaupt nur deshalb auf sich genommen, weil er endlich wissen möchte, was es mit der so genannten erotischen Spezialität der Venezianer auf sich hat. Alles andere ist ihm egal. Außer seinen Geschäften natürlich.«
»Und Lukas?«
Margarete winkte ab.
»Lukas, ich weiß nicht, was er will. Vermutlich noch immer dich. Weil er dich damals nicht bekommen konnte, meint er, du seiest jetzt endlich weich gekocht für ihn. Und vermutlich würde er dafür dann selbst risi e bisi in Kauf nehmen.«
Crestina schüttelte sich. »Deine Ausdrucksweise ist nicht eben zimperlich«, sagte sie dann lachend.
»Niemand bei uns in Nürnberg ist zimperlich. Wir nehmen uns zusammen, wenn es um Agathe geht, weil sie als gut erzogen gelten soll und eines Tages einen reichen Mann heiraten muss. Aber kaum ist sie aus der Tür, führen meine Mutter und ihr Bruder das Regiment. Und sie fühlen sich nur in ihrem Element, wenn es möglichst derb zugeht.«
»Dazu passt ja nicht unbedingt ein Palazzo«, wagte Crestina einzuwenden.
»Du meinst das Haus formt seine Bewohner?«
Crestina seufzte. »Ich weiß es nicht. Ich kenne dieses Haus ja nicht mehr. Wenn ich heute auf den Mond fliegen müsste, wäre der mir auch nicht fremder als dieses Haus.«
Margarete schüttelte den Kopf.
»Weißt du, ich verstehe dich einfach nicht. Du kämpfst jahrelang um diesen Palazzo, und wenn er dir endlich wieder gehört, lässt du ihn verlottern. Es sollte doch möglich sein, den Geist Riccardos endlich daraus zu vertreiben und völlig normal darin zu leben.«
Crestina stand abrupt auf und stülpte ihre Handschuhe über.
»Und woher weißt du so genau, dass ich das überhaupt möchte? Den Geist Riccardos vertreiben?«
»Du solltest endlich mal wieder carnevale feiern«, rief Margarete ihr nach, »dann wüsstest du die Antwort auf diese Frage!«
13. L IMONAIA II
Der zweite Besuch in der limonaia begann mit einem Albtraum.
Crestina hatte das Boot kaum verlassen und am Ufer vertäut, als ein ohrenbetäubender Lärm zu vernehmen war: Kinderschreie, Hundegebell, dazwischen aufgeregte Rufe von der Höhe der Villa, und über allem das wütende Gekreische eines Papageis.
Bevor sie noch ausmachen konnte, was die Ursache des Lärms war, kamen zwei riesige Hunde angerannt, die sie mit wütendem Bellen empfingen. Sie blieb stehen, sprach beruhigend auf die Hunde ein, dann folgte eine Schar von Kindern, eine Frau in dem Gewand einer Dienerin. Ein Mann, der Kleidung nach kein Venezianer, rannte auf die Hunde zu und bemächtigte sich der Halsbänder.
»Das hier
Weitere Kostenlose Bücher