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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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»Ich konnte leider nicht mehr länger zu Hause warten. Du warst nicht zur verabredeten Zeit da, und ich hatte eine lange Liste von Einkäufen vor mir«, entschuldigte sie sich dann.
    »Ich muss mich entschuldigen«, erwiderte Crestina, »ich habe mich gewaltig verspätet. Aber da kam ein Mann aus der Druckerei mit den Korrekturen meines Buches, und ich musste mit ihm rasch durchsprechen, was es zu beachten gibt.«
    Lea nickte ergeben mit dem Kopf. »Macht nichts«, sagte sie dann seufzend und blickte wieder in die Runde.
    »Auf wen wartest du denn?«, wollte Crestina wissen.
    Lea zuckte mit den Schultern. »Auf wen wohl? Natürlich auf Moise.«
    »Dafür hast du dir aber keinen besonders günstigen Platz ausgesucht, es zieht entsetzlich an dieser Stelle. Und du hast nicht einmal einen Mundschutz.«
    »Das macht nichts«, sagte Lea gottergeben. »Wenn ich mich auch noch verhülle, sieht er mich nicht, und dann weiß ich nicht, was sonst noch alles geschieht.«
    Der Händler, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, brachte einen Mantel herbei und zeigte ihn Crestina.
    »Ich bitt Euch, sucht, ob Ihr hier ein Loch entdecken könnt«, drängte er dann und drückte Crestina den Mantel in die Hände. »Dieser Junge muss einfach meschugge sein.«
    Lea nahm Crestina den Mantel aus der Hand.
    »Wegen dieses kleinen Lochs hier …«, sie zeigte an den Saum des Mantels, an dem ein winziges Loch gestopft war, »… wegen dieses Lochs lässt er mich hier in der Kälte sitzen.«
    Crestina begutachtete die Stelle, schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Und was hat es damit auf sich?«
    Lea starrte Crestina an.
    »Ich nehme nicht an, dass du so wenig über uns weißt, dass dir nicht bekannt ist, dass jüdische Händler keine neuen Waren verkaufen dürfen, nur gebrauchte, weil es das Gesetz von Venedig so will.«
    »Nun«, Lea zuckte erneut mit den Schultern, »so machen sie eben neue Ware zu einer alten Ware.«
    Der Händler riss Lea den Mantel aus der Hand.
    »Das ist keine alte Ware«, sagte er dann erbost, »das wisst Ihr so gut wie ich, Ihr …«
    »Natürlich ist es keine alte Ware«, versuchte Lea den Mann zu beschwichtigen, »aber ich kann nichts dafür, dass mein Sohn nun eben lieber einen Mantel ohne gestopfte Löcher hätte, und –«
    »– und nun so lange hier quer über den Platz sucht, bis er ein Loch findet, das vielleicht um eine Spur winziger ist als das meine«, sagte der Händler zornig. »Wenn er mein Sohn wäre, würde ich ihn übers Knie legen.«
    »Es ist aber nicht Euer Sohn«, sagte Lea würdevoll und stand auf, als sie soeben Moise näher kommen sah, mit einem anderen Händler im Schlepptau.
    »Es ist nur halb so groß wie das andere«, sagte Moise glücklich und zerrte den Mann am Ärmel hinter sich her. »Schau nur!«
    Aber Lea war inzwischen jenseits der gerechten Prüfung von Löchern in Mänteln, die für Moise von Wichtigkeit waren.
    »Ich habe noch nicht mal Sand gestreut«, sagte sie gehetzt und drückte dem neu hinzugekommenen Mann das geforderte Geld hastig in die Hand. »Die Leuchter müssen noch geputzt werden, und ich bin noch nicht fertig mit dem Vorkochen.«
    »Ich helfe dir«, sagte Moise fröhlich, sprang den beiden Frauen voraus, mitten in einen Kreis von Kindern hinein, und Lea war sicher, dass er sein Versprechen bereits zehn Minuten später wieder vergessen hatte. Sie ahnte schon, dass sie sehen musste, wie sie ihn am Vorabend von Sabbat wieder ins Haus zurückbrachte.
    »Ich kann dich jetzt nicht mehr zu mir bitten«, erklärte sie Crestina gehetzt. »Aber seit heute Morgen habe ich kaum eine Schlafbank mehr, geschweige denn einen Tisch oder einen Stuhl.«
    »Und weshalb das?«, wunderte sich Crestina. »Hat Moise Kleinholz daraus gemacht?«
    Lea lachte.
    »Nein, so schlimm geht es bei uns dann doch noch nicht zu. Aber heute Morgen kam ein Mann, der mir vor einiger Zeit eine Bibliothek, die er geerbt hat, zum Verkauf anbot. Natürlich hatte ich dafür keinerlei Platz in meinem winzigen Laden. Ich habe ihn aber, weil es sich um hebräische Bücher handelte, hier in unserer Stadt gedruckt, dann gebeten, mir zehn Bücher vorbeizubringen, damit ich wenigstens sehen kann, worum es sich handelt.«
    »Nun«, Lea wischte sich den Schweiß vom Gesicht, »er brachte zwanzig und davon wiegen einige gewiss … ach, ich weiß nicht, wie viel.«
    Crestina lachte.
    »Nun, Gott sei Dank keine neuen Hiobsbotschaften von Moise, ich zucke jedes Mal schon zusammen, wenn du mir Sachen von ihm

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