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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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Crestina, die irgendwelchen Anfängen vorbeugen wollte und den Beruf des Gondelbauers keinesfalls als adäquat für ihren Sohn erachtete.
    »Das flügellahme Ding«, sagte Clemens voller Abscheu, »damit kommt er nicht einmal drei Meter in einem niederen Seitenkanal voran.«
    »Das will er ja auch nicht, er will damit nur auf der Mercerie fahren«, spottete Crestina. »Wenn wieder einmal acqua alta ist natürlich.«
    Clemens schüttelte angewidert den Kopf.
    »Vermutlich wirst du aufatmen, wenn wir alle endlich irgendwann einmal unter der Haube sind«, sagte er dann zu Crestina.
    Ludovico stand auf und lächelte seinen Bruder an.
    »Vermutlich werdet ihr euch sehr wundern, wie meine ›Haube‹ eines Tages aussehen wird.«
    Sie lachten, Crestina etwas gequält. Aber es wurde ihr erst Tage später klar, weshalb sie nur dieses gequälte Lachen hervorgebracht hatte: Mit einem vorgetäuschten Besuch bei der Tante in Pellestrina konnte man schließlich alles vertuschen.

19. Sulzburg
    »Meine Mutter geht mit einem Bündel wie ein Handwerksbursche. Konntest du nicht wenigstens eine Truhe nehmen und wenn sie auch noch so klein gewesen wäre?«
    Moise stand vor Lea, schüttelte empört den Kopf und starrte auf das Bündel, das Lea soeben zusammengeknüpft hatte.
    »Deine Mutter geht mit einem Bündel, wie Juden immer gegangen sind«, sagte Lea ruhig und blickte ihren Sohn prüfend an. »Hast du das vergessen?«
    »Ich habe es nie erlebt«, gab Moise zurück und hob das Bündel in die Luft. »Was hast du überhaupt da drin? Goldbarren?«
    Lea lachte.
    »Dein Gedächtnis ist offenbar nicht mehr gut. Erinnerst du dich nicht mehr an jenen Tag, als du dieses Bündel mitten in der Nacht unter einer der Schlafbänke hervorgezerrt hast und mit mir zusammen aufmachtest?«
    »Das liegt Jahre zurück«, wehrte Moise ab. »Ich erinnere mich nur noch daran, dass du wie üblich tausend Ängste hattest, der Staub könnte mir schaden. Ein Schofa- Horn war drin«, sagte er dann zögernd, »und Mesusot.«
    »Nicht nur Mesusot, auch ein Chanukka- Leuchter , den du in der Jeschiwa als kleiner Junge gemacht hast, ein Jad, eine kleine Thora, eine Purim -Ratsche von euch Kindern, eine Chamsa und ein Davidstern.«
    Moise stellte das Bündel auf den Boden.
    »Mir hast du nie eines gemacht«, sagte er dann vorwurfsvoll und runzelte die Stirn.
    »Du wolltest dann eines, als du angenommen hast, es könnte eines Tages wieder eine der Inseln untergehen, so wie damals Malamocco. Und diese Idee, die dich ständig als Albtraum überfiel, wollte ich nicht noch dadurch festigen, indem ich dir auch noch ein Bündel machte, um für alle Fälle zu einer Flucht bereit zu sein. Und nach Livorno bist du ja damals auch ganz gut ohne Bündel gekommen.«
    Moise lächelte vor sich hin, dachte an seine mehr als verrückte Fahrt als Sechsjähriger nach Livorno, um seine Familie zu finden und Steinchen auf ihre Gräber zu legen, die es gar nicht gab. Dann blickte er Lea prüfend an.
    »Wie hast du dir die ganze Sache überhaupt vorgestellt? Dieses Sulzburg liegt ja nicht gerade bei Burano oder Murano oder sonst wo vor der Haustüre unserer Stadt.«
    »Nein, das liegt es nicht«, räumte Lea ein und zog ein zusammengefaltetes Papier aus ihrem Gewand, »aber ich werde trotzdem hinkommen.«
    »Mit deinen kranken Beinen?«, zweifelte Moise und deutete auf Leas ständig geschwollene Füße. »Wer soll sie dir unterwegs wickeln?«
    »Ich will ja nicht laufen«, sagte Lea fröhlich. »Ich fahre. Und überdies habe ich einen Stock.«
    »Jaja, du stellst dich an die Straße und wartest, bis jemand kommt, der von Venedig nach Sulzburg fährt und Lea Coen mit seiner Kutsche oder seinem Wagen mitnimmt?«, spottete Moise.
    Lea breitete das Papier vor Moise aus und fuhr mit dem Finger auf der Karte eine Strecke ab, die mit roter Farbe eingezeichnet war.
    »Woher hast du diese Karte?«, fragte Moise misstrauisch.
    »Die habe ich mir gemacht«, erwiderte Lea nicht ohne Stolz.
    »Und woher hast du gewusst, wie sie aussehen muss?«
    »Bin ich jetzt bei einem Verhör der Inquisition?«, fragte Lea verärgert.
    »Entschuldige«, sagte Moise leise und strich Lea über den Arm. »Also, wie willst du fahren?«
    »Zunächst von Venedig nach Padua mit einem Nürnberger Händler, den ich von meiner Arbeit her kenne. Dann geht es weiter nach Mailand, weil der Händler einen zollfreien Ort wollte, aber es ist ja kein großer Umweg. Weiter nach Norden, dann Ravensburg, von da aus nach Basel mit einem

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