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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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wieder ein Gesetz gegen die angebliche Gotteslästerung erlassen hat, kannst du dir das überhaupt vorstellen?«
    Sie aßen den Fisch, das Gemüse, die Salsa, Crestina stellte zum Abschluss biscotti auf den Tisch, die sie schweigend verzehrten.
    »Kein sehr heiteres Mahl«, sagte Margarete und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Aber ich durfte nicht einmal Taufpatin sein bei einem Kind, das aus einer Familie stammte, mit der meine Mutter befreundet war. Eine Ungläubige!«
    »Wie lange wirst du hier überhaupt bleiben wollen?«, fragte Crestina.
    »Du meinst hier im fondaco?«
    Crestina nickte. »Ja, natürlich hier.«
    »Ich wohne ja nicht hier«, erwiderte Margarete, »nur Lukas und Schreck. Frauen haben kein Wohnrecht in dieser Männergesellschaft. Ich habe eine Stube bei den Wollarbeitern. Meine Mutter lebt in irgendeinem Gasthof in der Stadt.« Margarete lachte. »Du weißt ja, sie reist mit eigener Bettwäsche, weil es ihr in eurer Stadt nicht sauber genug ist. Aber ich mag nun mal diese Stadt. Ich mag sie sehr. Und manchmal stelle ich mir vor, dass ich für immer in ihr leben könnte, einen Beruf ausüben, nur für mich allein.«
    »Als Safranverkäuferin?«
    »Nein, nein«, wehrte Margarete ab, »gewiss nicht als Safranverkäuferin, damit bin ich ja aufgewachsen. Ich möchte etwas Neues anfangen. Etwas ganz Neues. Etwas, das nur mir gehört, das deutete ich ja neulich bereits an.« Sie lachte, trank einen Schluck Wein und prostete Crestina zu.
    »Irgendetwas wird mir schon einfallen, wenn die Zeit dafür gekommen ist, da bin ich ganz sicher.« Sie legte den Finger an die Nase, dachte nach. »Ich hoffe, dass es etwas Verwegenes ist. Etwas, was bisher noch keine Frau gemacht hat.« Sie lachte. »Und etwas, womit ich sie alle vor den Kopf stoßen kann. Vielleicht mit Zibet.«

9. In den Sümpfen
    Crestina sah den Hut mit den fleckigen Dellen und der zerknautschten Pelzkrempe im Schilf erst, als sie ihn mit den Füßen fast berührte. Der Hut wirkte in seiner Schäbigkeit so, als sei er irgendwann dort vergessen worden, Schnee und Eis waren über ihn hinweggegangen und hatten ihm zu einem unverwechselbaren Aussehen verholfen, das gewiss nicht alltäglich war. Man hätte allerdings ebenso gut vermuten können, sein Besitzer habe sich bereits in die ewigen Jagdgründe begeben und zu dem Hut müsse unbedingt eine Leiche gehören, die schon seit geraumer Zeit darauf wartete, entdeckt zu werden.
    Das dichte Schilfgeflecht gewährte keinen Blick auf das, was unter dem Hut verborgen war, und Crestina sah erst beim zweiten Hinblicken, dass es sich um ein Gesicht handelte, das mit angestrengtem Blick über die Lagune starrte. Der Mann hielt eine Flinte in der Hand. Der Mann saß in einer halb vergrabenen Tonne. Der Mann erinnerte sie an etwas.
    Zu weiteren Überlegungen kam sie nicht, da auf einmal einige Dinge nahezu gleichzeitig geschahen: Ihr Fuß trat auf einen dürren Ast, der mit einem kräftigen Knacken auseinander brach, ein unterdrückter Fluch wurde laut, dann flog ein Schwarm Enten hoch.
    Das Gesicht unter dem zerknautschten Lederhut wandte sich zornig um. Der Mann starrte sie einen Augenblick an, dann seufzte er ergeben.
    »Das hätte ich mir ja denken können«, sagte er und blickte zu den Enten empor, die inzwischen aus der Reichweite seines Gewehrs davongeflattert waren.
    »Das waren Königsenten«, fuhr er mit unterdrückter Stimme fort, so, als bestehe immer noch eine geringe Hoffnung auf diesen Fang. »Zum ersten Mal seit den letzten beiden Jahren waren es Königsenten.«
    Crestina murmelte eine Entschuldigung, dann betrachtete sie den Mann genauer. Erst jetzt fielen ihr einige Gipsflecken auf, die diesen einstmals braunen Lederhut zierten, so, als sei versucht worden, sie zu einem besonders kunstvollen Muster zusammenzustellen.
    »Was hättet Ihr Euch denken können?«, fragte sie schließlich, während sie in ihrem Gedächtnis kramte, um ihre Erinnerung hochzuspülen. Der Mann schob sich mühsam aus seiner Tonne heraus und lehnte das Gewehr an einen Baum.
    »Alles«, erwiderte er dann und schaute sie prüfend an. »Einfach alles.«
    Sie blieb stehen, sah ihn unschlüssig an und überlegte, ob sie zum Angriff übergehen sollte, da Riccardo ihr einst beigebracht hatte, dass dies immer die beste Verteidigung sei.
    »Es waren schließlich nicht Eure Enten«, sagte sie vorwurfsvoll.
    Er kniff die Augen zusammen. »Ach, ja«, sagte er dann gedehnt und zupfte das Schilf von seiner Jacke. »Wessen Enten

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