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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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waren es dann?«
    Sie wurde unsicher, stellte ihren Korb auf den Boden, den sie die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte, dabei entdeckte sie halb verdeckt einen Eimer mit Meeräschen. Ein Raubfischer also, dachte sie grimmig. Einer, der sich seine Mahlzeit zu jeder Zeit dort holt, wo er sie bekommen kann. Jacopo fiel ihr ein, der sich stets darüber geärgert hatte, wenn er jemanden dabei erwischte, der ihm die Meeräschen wegstahl.
    »Und wessen Meeräschen sind es?«
    Der Mann nahm den Hut vom Kopf, schüttelte das Schilf ab.
    »Ich nehme an, Ihr wisst so gut wie ich, dass es ein Gesetz gibt, das es gegen ein paar Unzen erlaubt, dass jeder Mann, der eine Flinte und ein Boot besitzt, sich in der Frühe aus der Lagune seine Mittagsmahlzeit besorgen darf. Ich besitze ein Boot. Ich besitze eine Flinte. Sonst noch weitere Fragen?«
    Sie starrte ihn an, stutzte, dann war sie plötzlich ganz sicher, dass dieser Raubfischer der ungebetene Gast der limonaia gewesen war.
    »Und im Übrigen ist der See mit den Meeräschen verpachtet«, sagte der Mann jetzt mit leiser Stimme, aber so, als gehöre ihm die gesamte Lagune. Und als könne er ihre Gedanken erraten.
    »Von wem?«
    »Von wem?« Der Mann lachte. »Was interessiert das Euch? Von Euch doch wohl nicht, oder?«
    Sie überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass er sehr wohl gepachtet war, von ihrer Familie, seit alters her. Dann entschied sie sich dagegen. Wenn er arm war und gezwungen, seine Mahlzeiten auf diese Art und Weise sich zu besorgen, wollte sie ihn nicht demütigen. Zudem war sie nicht ganz sicher, ob sich die Verhältnisse nicht vielleicht inzwischen geändert hatten. Ihren alten Advokaten hatte sie schon lange nicht mehr gesehen, und Leonardo verschonte sie mit solchen Lappalien, weil sie es so wollte.
    Der Mann packte inzwischen seine Sachen zusammen, ohne sich weiter um sie zu kümmern. Sie blieb stehen, schaute ihm zu und versuchte, dabei nicht den Eindruck zu erwecken, als müsse sie die Insel bewachen, obwohl sie immer die Gewissheit gehabt hatte, dass dies ihre Insel war. Für Crestina war sie es immer gewesen, und es hätte sie dabei keinesfalls gestört, wenn es in Wahrheit anders gewesen wäre.
    »Ich wollte Euch nicht verjagen«, sagte sie plötzlich mit schlechtem Gewissen und wandte sich zum Gehen. »Sicher gibt es noch mehr Enten an diesem Morgen.«
    »Gewiss. Aber bestimmt keine Königsenten«, sagte er mürrisch, »die habt Ihr gründlich verjagt. Und überhaupt«, fuhr er dann fort und blickte misstrauisch auf ihre Jagdtasche, die sie lose um die Schulter gehängt hatte, »ich könnte Euch genauso gut fragen, was Ihr denn auf dieser Insel macht? Wer Euch das Recht gibt, hier zu jagen?«
    »Vielleicht geht es mir wie Euch«, sagte sie lächelnd. »Ich hoffe, dass mich niemand dabei erwischt. Außerdem ist die Tasche leer«, fügte sie hinzu und ließ ihn hineinschauen. Dann nahm sie ihren Korb vom Boden und wandte sich um. »Im Übrigen suche ich Kräuter«, erklärte sie im Weggehen.
    »Kräuter? Zu dieser Jahreszeit?« Er kam näher, warf einen Blick in den Korb und sah mit Verblüffung die fein säuberlich getrennten Fächer, die unterschiedliche Pflanzen enthielten und einen starken Duft ausströmten.
    »Ist das Nana Minze?«, fragte er erstaunt. »Wo habt Ihr die denn gefunden? Und was ist das Übrige, wächst es alles hier auf dieser Insel?«
    »Ich besuche die kleinen Inseln in diesem Umkreis. Und ich kenne die Stelle, an der die Minze wächst. Zu dieser Jahreszeit sind es natürlich nur noch Reste vom vergangenen Jahr«, sagte sie beiläufig.
    »Ich denke, es gibt sie nur in Marokko«, sagte er und roch nochmals in den Korb, den sie ihm entgegenhielt.
    Sie lachte.
    »Mag sein, aber vieles, was eigentlich woanders wachsen sollte, habe ich auch hier auf den Inseln gefunden. Ich vermute bei manchem allerdings stark, dass unsere frühere Dienerin, Anna, die sich gut mit Kräutern auskannte, sie sich irgendwohin gepflanzt hat, wo sie gedeihen konnten und wo nur sie den Platz kannte.«
    »Die Wurzeln sind Iriswurzeln?«, fragte er und zog die Luft ein. »Es riecht nach Vanille?«
    »Ja, es sind Iriswurzeln«, gab sie widerwillig zu. »Aber nicht von dieser Insel.«
    »Keine Sorge, ich habe nicht die Absicht, in Eure Waidgebiete einzubrechen«, wehrte er ab. »Und bei manchem, was ich hier sehe, wie zum Beispiel dieses Kraut, bei dem ich den Namen nicht mehr kenne, weiß ich nur, dass es gegen Blitzschlag, Lanzenstiche und bösen Zauber

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