Stadt der blauen Paläste
da«, erklärte Crestina. »Tut mir Leid. Und ich hatte nichts weiter als diese Acht in Erinnerung behalten.«
»Und genau das war das Verhängnis. Ich fürchte, ich muss dir eine ganze Menge erklären, über dieses Deutsche Haus, diesen fondaco, vor allem. Ich erzähle es dir, obwohl ich es nicht erzählen dürfte. Aber da ich nicht, noch nicht, zur Gemeinde gehöre wie meine gesamte Familie, kann ich es tun, ohne gleich ein ganz schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe übrigens trotzdem einen Fisch mitgebracht, einen Aal, den ich zwar nicht besonders mag, weil es immer heißt, die Fischer fangen ihn im Canale Orfano.«
Crestina lachte. »Das ist nichts weiter als eine Mär. Du wirst ja gemerkt haben, dass der Verkäufer dazu spitzbübisch gelacht hat.«
»Das hat er«, gab Margarete zu, »und da die Frau, die neben mir stand, auch einen Aal gekauft hat, dachte ich mir, dass es vermutlich nicht stimmt.«
»Außerdem hat die Behörde auch nicht gerade jeden Tag eine vergiftete Leiche, die an dieser Stelle in der Lagune versenkt wird«, sagte Crestina lachend. »Und im Übrigen haben wir starke Gewürze. Und überhaupt bin ich dankbar, dass du ihn gebracht hast, die Nachbarin hat die Tauben vergessen.«
»Na ja, Gewürze sind ja schon meine Sache«, erwiderte Margarete und wickelte ein kleines Bündel von Kräutern aus, »aber ich habe nicht so viel Erfahrung mit diesem Fisch wie du. Also, man soll ihn waschen, reinigen und dann in Stücke schneiden, ist das richtig?«
»Ja, das stimmt, aber du musst darauf achten, dass ein Stück das andere noch berührt«, sagte sie dann und begann den Herd vorzubereiten.
»Also, vermutlich hast du gedacht, dass dieser junge Mann die Ausgeburt von Neugier ist, weil er dir nicht von den Fersen wich. Und dieses Getue um die Acht war sicher auch mehr als seltsam«, sagte Margarete und begann die Kräuter zu hacken. »Aber bevor ich ins Detail gehe, möchte ich dich fragen, ob du dich noch daran erinnerst, was du damals in Nürnberg gesagt hast, nämlich, dass du nichts darüber weißt, was in diesem fondaco tedesco eigentlich vor sich geht. Fest steht auf jeden Fall, dass dies keinesfalls – wie man die Leute glauben machen möchte – nur eine harmlose Gruppe von Kaufleuten ist, die da ihre Geschäfte macht.«
»Ich sagte, dass es die Lutherischen hier bei uns offenbar gar nicht gibt, weil man nichts von ihnen weiß und nichts von ihnen hört«, erklärte Crestina und schnitt das Gemüse klein. »Aber seit Riccardo tot ist, hatte ich mit dem fondaco gewiss nichts mehr zu tun.«
»Du hörst deshalb nichts von uns, weil es uns wirklich nicht gibt«, sagte Margarete und stützte die Arme auf den Tisch, »wir leben nämlich wie die Maulwürfe, unter der Erde.«
Crestina legte das Messer zur Seite.
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass wir wie eine Geheimgesellschaft leben, wie zum Beispiel die ›Bruderschaft der drei Rosen‹ oder der ›Pegnesische Blumenorden‹ oder die ›Macaria‹, wobei ich nicht weiß, ob man es wirklich damit vergleichen kann. Auf jeden Fall ist alles geheim, auch wo wir zusammenkommen. Wenn nicht hier, dann abwechselnd in irgendwelchen Häusern von Gemeindemitgliedern.«
Crestina nahm das Messer wieder auf. »Das musst du schon ausführlicher erzählen, so begreift man gewiss nichts.«
»Nun, das heißt, dass wir zwar hier einen Betsaal haben, aber dass das niemand wissen darf. Das heißt, dass wir einen Prediger haben, aber den zeigen wir gewiss nicht herum. Das heißt, dass wir einen Gottesdienst haben, aber der ist nur ein kastrierter Gottesdienst, weil nicht gesungen werden darf, denn schließlich haben die Wände Ohren. Das heißt außerdem, dass du, wenn du zu dieser Gemeinde gehörst, was selbstverständlich nicht alle tun, aber meine Familie gehört natürlich dazu, auf die Kirchenordnung schwören musst. Mich haben sie bis jetzt noch nicht eingefangen. Ich bin ihnen noch nicht vernünftig genug für eine Aufnahme, was mir allerdings gerade recht ist, so entgehe ich dem Joch noch, zumindest für kurze Zeit.«
Crestina hatte aufgehört, das Gemüse zu schneiden, Margarete legte die Abfälle des Aals in eine Schüssel und kippte sie dann aus dem Fenster in den Kanal. »Der ist aber gewiss schon lange nicht mehr ausgehoben worden«, sagte sie dann naserümpfend.
»Ob ausgehoben oder nicht, bei uns stinkt es immer, nicht nur bei Niedrigwasser«, erklärte Crestina mit aller Selbstverständlichkeit. »Im Hochsommer ist es
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