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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bayer
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diesem Abend nicht hatte zur Sprache kommen können und seltsamerweise jetzt auch kaum mehr jemanden interessierte. Wie lange Moise gebraucht hatte, um diese Reise im Geheimen vorzubereiten, ohne dass Lea davon erfuhr, und vor allem, wie der Händler sich zielstrebig mit dieser Familie in Verbindung gesetzt hatte, zu der Moises Eltern, die in Spalato umgekommen waren, einst gehört hatten.
    Moise hatte sein Buch mit den Liedern aufgeschlagen und sang ihnen vor. Weil er ganz sicher war, dass er hoffte, einmal Kantor zu werden. Ebenso sicher wie mit diesem Kaufmann über die Meere zu fahren. Und natürlich wollte er Kastilisch lernen.
    »Kastilisch?«, fragte Margarete verblüfft, »weshalb um alles in der Welt Kastilisch?«
    Lea blies die Backen auf. »Kastilisch ist die Schriftsprache von Livorno«, erwiderte sie dann jedoch mit aller Selbstverständlichkeit. »Und die muss er natürlich kennen, da er nun dort eine Familie hat. Und die Sprache braucht er auch, damit er später einmal Grabsteine lesen kann, weil er sich dafür interessiert. Nichtjüdische Grabsteine. Hebräisch kann er ja bereits, um die jüdischen zu lesen. Genügt das?«
    Margarete stupste Crestina lachend in die Seite.
    »Können wir da nicht froh sein, dass wir noch ohne Ehemänner sind und ohne Kinder?«

18. Carnevale
    »Um Himmels willen, es war doch nur Spaß!«
    Crestina fühlte, wie sie ganz langsam mit dem Rücken an der Küchenwand hinunterrutschte, wie sich etwas in ihrem Kopf zu drehen begann und wie sich dieses schwarze Gewand, die Toga der neri, und die Maske, nun über sie beugte. Ein Gewand, das zuvor schweigend an der Tür gestanden hatte.
    Sie hörte, wie die Erbsen aus ihrem Topf über den Boden kullerten, wie sie den Topf hinterherrutschen ließ, unfähig, mit ihren Fingern noch irgendetwas festzuhalten.
    »Es war nur ein Spaß!«, sagte Margarete erschrocken und riss sich die Maske vom Gesicht. Sie nahm die Schöpfkelle aus dem Wasserbehälter, begoss ein Tuch damit und legte es auf Crestinas Stirn.
    »Komm, wach auf. Es war wirklich nur ein Ulk. Ich wollte dich doch nur erschrecken. Ein klein wenig nur.«
    »Mit dem Gewand der neri kannst du nahezu jeden bei uns in der Stadt zu Tode erschrecken«, murmelte Crestina mühsam. »Wie kommst du nur auf solch eine Idee?«
    »Nun, wir haben gestern bei uns im fondaco carnevale gefeiert, einer unserer Leute aus Nürnberg hatte diese Maske getragen und wollte sie nun an jemanden weitergeben, dem es Spaß machen würde, in Venedig als Staatsinquisitor zu erscheinen.«
    »Madonna!«, seufzte Crestina kopfschüttelnd und versuchte, die Erbsen wieder einzusammeln. Margarete nahm ihr den Topf aus der Hand und sah die Freundin prüfend an.
    »Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du so schreckhaft bist.«
    »Ich bin nicht schreckhaft!«, wehrte sich Crestina, »ich habe nur mit Riccardo zusammen eine ziemlich schlimme Zeit erlebt. Damals, als wir aus Nürnberg nach Venedig zurückkamen.«
    »Das konnte ich nicht wissen«, verteidigte sich Margarete. »Sie haben mir im fondaco nur gesagt, dass dieses Kostüm ein wirkungsvolles Kostüm sei.«
    »Nun, das war es ja dann wohl auch«, sagte Crestina und versuchte, sich langsam zu erheben. »Aber ich verstehe den Witz immer noch nicht.«
    »Nun, du hattest dich so abweisend gegenüber diesem Fest verhalten, dass es mir Leid tat, wenn du zu Hause bleiben würdest, wie du es wohl vorhast. Also wollte ich nichts weiter, als dich ein wenig anzustacheln, mit mir irgendwohin zu gehen. Ich habe sechs Einladungen.«
    »Ganz gewiss nicht bei Venezianern«, erwiderte Crestina und wischte sich den Staub vom Kleid.
    »Nein, das nicht«, gab Margarete zu, »aber was macht das schon?«
    »So ungefähr alles«, erklärte Crestina. »Weil du das wirkliche carnevale eben nur bei Venezianern kennen lernen kannst und die bleiben nun mal unter sich. Heute Abend kannst du dich auf den Balkon stellen und zuschauen, wie bei unseren Nachbarn Boot um Boot anfährt und eine Maske schöner als die andere heraussteigt.«
    »Es ist mir völlig gleich, wo ich diesen carnevale feiere«, sagte Margarete entschieden, »ich bin sogar bereit, mit unserem pickelgesichtigen Faktor irgendwohin zu gehen, wenn ich nur überhaupt irgendwohin kann. Und im Übrigen sei man ohnehin nach zwei Minuten mit niemandem mehr zusammen, mit dem man gekommen ist, habe ich gehört.«
    »Das mag sein, mich reizt es trotzdem nicht«, gab Crestina zurück.
    »Weshalb eigentlich? Ich dachte, du hättest es

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