Stadt der Blumen strava3
gefährlich.«
Am Abend zuvor war Sandro in der Nähe seines Opfers geblieben, bis er sicher war, dass er nichts mehr herausfinden konnte, dann war er auf seine Seite des Flusses zurückgeschlendert. Ein kurzer Weg über die große Piazza Ducale, an der die Regierungsgebäude lagen, brachte ihn auf die linke Seite der Kathedrale. Als er Santa Maria del Giglio erblickte, fühlte er sich schon geborgener; der kolossale Bau beruhigte ihn und die kleinen Gassen und Plätze kuschelten sich daran wie Kätzchen, die die Wärme der Katzenmutter suchten.
Sandro kam sich wie eines dieser Kätzchen vor; er war elternlos und in einem Waisenhaus aufgewachsen, das im Windschatten der Kathedrale stand. Obwohl er klug und pfiffig war, hatte Sandro nie lesen und schreiben gelernt oder erwartet, es zu einem Beruf zu bringen, daher war er hocherfreut, dass der Aal ihn angestellt hatte.
Jetzt konnte er es sich leisten, den zerlumpten Kindern, die selbst zu dieser späten Stunde noch in der Straße vor dem Waisenhaus spielten, ein paar Münzen zuzuwerfen. Vor nicht allzu langer Zeit war er noch einer von ihnen gewesen und sein Herz schwoll vor Stolz bei dem Gedanken, wie weit er es gebracht hatte.
Er blieb an dem kleinen Platz stehen, auf dem einige Leute Boccia spielten. Der Platz weckte regelmäßig ein gruseliges Gefühl in ihm, wegen des schrecklichen Mordes, der sich hier vor einer Generation abgespielt hatte. Einer der Chimici hatte hier einen der Nucci erstochen; mehr wusste der Junge nicht, aber die Geschichte faszinierte ihn. Er stellte sich vor, wie das Blut die Pflastersteine besudelt hatte und wie man um Hilfe gerufen hatte, während der junge Adlige unter den flackernden Fackeln der Piazza verblutete. Santa Maria hatte ihn nicht beschützen können. Sandro schauderte genüsslich.
Er ging an den Läden und Tavernen vorbei, wo es allerlei köstlich duftende Speisen und Getränke gab, und erfreute sich an der Vorstellung, dass er ein Abendessen bekommen würde. Dann lief er die Via Larga entlang, die breite Straße, die von der Kathedrale zum Palast der Chimici führte. Dort wohnte der Aal natürlich nicht; dazu war Herzog Niccolò zu klug. Aber er lebte auch nicht weit entfernt davon. Seine Behausung war nah genug beim Herzog, sodass er in Minuten bei ihm sein konnte, wenn er gerufen wurde.
»Warum habe ich keinen Schatten, wenn wir beide angeblich Strav… wie nannten Sie es?«, fragte Sky. »Sie haben ja anscheinend einen.«
»Ich habe einen Schatten, weil ich in meiner heimatlichen Welt bin«, sagte Bruder Sulien. »Wenn ich in deine Welt reise, wie ich es tat, um den Talisman zu hinterlassen, dann habe ich auch keinen, genau wie du hier bei uns.«
Es dämmerte Sky, dass er irgendwie durch den Raum gereist war und auf jeden Fall eine Zeitreise hinter sich hatte, auch wenn er es noch nicht ganz glauben konnte. Bruder Sulien erklärte, dass er sich in einer großartigen Stadt namens Giglia befand, in dem Land Talia, wenn es für Sky auch so aussah, wie er sich Italien vorstellte. Er konnte natürlich kein italienisch und doch verstand er, was Sulien sagte – zumindest verstand er die Worte; der Sinn blieb ihm immer noch verborgen.
»Was meinen Sie damit, dass ich Ihnen helfen kann?«, fragte er, um eine andere Spur zu verfolgen. »Was kann ich tun?«
Langsam hatten sie einmal den Kreuzgang umrundet und waren wieder dort, wo sie angefangen hatten. Bei der Tür zum Laboratorium blieben sie stehen. Wieder war Sky überwältigt von dem Duft, der aus dem Raum strömte.
»Was ist das hier für ein Ort?«, fragte er. »So eine Art Kirche oder was?«
Bruder Sulien forderte ihn mit einer Geste auf den Rundgang wieder aufzunehmen. »Es ist ein Kloster – Santa-Maria-im-Weingarten. Natürlich gibt es auch eine Kirche, eine besonders schöne, die man durch den kleinen Kreuzgang erreicht, aber wir haben auch einen Pfleghof und eine Klosterapotheke, die mir als Frater untersteht.«
»Ist Frater dasselbe wie Mönch?«, fragte Sky. Er kam sich sehr unwissend vor in diesen Dingen. Bisher hatte er Kirchen nur ab und zu mit seiner Mutter besichtigt.
Sulien zuckte mit den Schultern. »Mehr oder weniger«, sagte er. »Es kommt darauf an, zu welchem Orden man gehört. Wir sind Dominikaner. Die Spürhunde Gottes nennen sie uns. Domini canes ist das talische Wort dafür.«
»Und das Laboratorium?«
»Dort bereite ich die Arzneien zu«, sagte Sulien. »Und natürlich das Parfüm.«
»Natürlich«, sagte Sky ironisch.
Bruder
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