Stadt der Blumen strava3
mit fachkundigem Blick fest. »Aber du wirst wunderbar darin aussehen – passend, um dich porträtieren zu lassen.«
Sie richtete ihren offenen Blick auf Ariannas Augen, die den ihren so ähnlich wa
ren.
»Was meinst du wirklich?«, fragte die junge Duchessa.
»Ich finde, du solltest so bald wie möglich Kontakt mit Rodolfo und Luciano auf
nehmen«, erwiderte Silvia.
Rodolfo und Lucien waren bereits in Giglia. Sie fuhren so unauffällig wie möglich in die Stadt ein, aber alle Besucher mussten in einer angespannten Zeit wie die
ser an den Toren ihren Namen angeben, und die Nachricht, dass der Regent von Bellezza mit seinem Gehilfen eingetroffen sei, verbreitete sich schnell. Zunächst begaben sie sich in ihr Quartier, dann machten sie sich auf, um Giuditta zu besu
chen.
Sie begegnete ihnen geistesabwesend und Lucien war sofort eingeschüchtert von ihr. Er hatte sie nur kurz gesehen, als sie nach Bellezza gekommen war, um Skizzen von Arianna zu machen. Außer Georgia war sie die einzige weibliche Stravagante, die er kannte, und sie unterschied sich von dem Mädchen aus dem einundzwanzigsten Jahrhundert so sehr, wie es nur möglich war. Giuditta war groß und kräftig gebaut, mit ausladender Brust und breiten Schultern. Ihr brau
nes Haar war von silbernen Strähnen durchzogen – wenn auch schwer zu sagen, ob vom Alter oder von dem Marmorstaub – und im Nacken locker zusammenge
bunden, damit es ihr nicht in die Augen fiel. Ihre grobe Arbeitskleidung ließ sie eher wie eine Waschfrau aussehen als wie eine Künstlerin.
»Sei gegrüßt, Schwester«, sagte Rodolfo und Lucien bemerkte, wie sich in der Bildhauerin eine Art Verwandlung vollzog. Ihr Bewusstsein stieg gewissermaßen in ihre Augen zurück und es war, als sei sie plötzlich aus tiefen Träumen erwacht.
»Rodolfo!«, rief sie lächelnd aus. Lucien stellte fest, dass sie attraktiv und selbst
bewusst wirkte. »Soll das bedeuten, dass die Duchessa auch hier ist?«
»Noch nicht«, sagte Rodolfo. »Erinnerst du dich von deinem Besuch in Bellezza an meinen Lehrling Luciano? Er ist inzwischen Cavaliere und arbeitet jetzt als mein Gehilfe mit mir. Wir sind vorausgefahren, um sicherzugehen, dass die Stadt
ungefährlich für sie ist.«
»Ich habe gehört, dass die Stadt für niemanden ungefährlich ist«, sagte Giuditta.
Dabei glitt ihr Blick schon wieder zu dem Marmor zurück.
»Ist sie das?«, fragte Lucien. »Die Statue von Arianna?«
»Das soll sie werden«, bestätigte Giuditta. »Ich versuche sie noch herauszulo
cken, aber ich weiß, dass sie darin steckt. Komm, berühre den Marmor. Du kennst sie. Versuche die Duchessa darin zu erfühlen.«
Lucien legte die Hände auf den weißen Marmor. Er war kalt und rau; nur der po
lierte Marmor fertiger Statuen war glatt und glänzend. Er schloss die Augen und dachte an Arianna; das fiel ihm nicht schwer. Aber er konnte nur das warmherzi
ge, lachende Mädchen ihrer ersten Freundschaft vor sich sehen, während diese Statue das förmliche, öffentliche Staatsoberhaupt darstellen sollte, das ihm im
mer noch fremd war.
»Nein«, sagte er und öffnete die Augen. »Tut mir Leid.«
»Macht nichts«, sagte Giuditta. Sie schien amüsiert zu sein. »Es bedeutet nicht, dass sie nicht da ist, nur, dass du kein Bildhauer bist.«
Sulien verhielt sich immer noch geheimnisvoll, als Sky am nächsten Morgen eintraf. Es war ihm leicht gefallen, Müdigkeit vorzutäuschen, als er in seiner eigenen Welt zu Bett gegangen war; er hatte einen großen Teil des Tages mit Fechten und Trainieren zugebracht und Nicholas war ein strenger Lehrer.
»Ich bin völlig fertig, Mum«, hatte er gesagt, indem er Remy auf den Arm nahm, um ihn mit ins Bett zu nehmen. »Macht es dir was aus, wenn ich den Wecker abschalte?«
»Das geht in Ordnung«, hatte Rosalind erwidert. »Dann sehen wir uns am Spätnachmittag. Du weißt doch, ich treffe mich zum Mittagessen mit Laura und sie hat immer eine Menge Klatsch zu berichten.«
Jetzt überlegte Sky, wie das Abendessen beim Herzog wohl sein würde und was sonst noch auf ihn wartete.
»Komm«, sagte Sulien. »Es ist an der Zeit, dass du einen weiteren Stravagante kennen lernst.«
Lucien und Rodolfo waren in ihrem Quartier angekommen und Rodolfo packte seine Spiegel aus. Mit raschen Griffen stellte er sie zuerst auf den Ort ein, an dem er seine Frau vermutete.
»Silvia scheint nicht in Padavia zu sein«, bemerkte er mit einem Stirnrunzeln.
»Sie wissen doch, wie oft sie nach Bellezza reist«,
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