Stadt der Blumen strava3
aus dem Norden. Bei den giglianischen Malern war er als Modell für Engelsbilder sehr gefragt, wenn er auch alles andere als engelhaft war.
»Hmm«, sagte die Bildhauerin. »Was würdest du mit deinen Händen machen?«
»Vielleicht die Reling des Schiffes ergreifen, Maestra?«, schlug Franco vor.
»Gut«, sagte Giuditta, wandte sich dem Stapel ihrer Skizzen zu und machte rasch ein paar Striche mit dem Kohlestift. »Jetzt kannst du wieder zu deinem Sarkophag zurückkehren.«
Dann sagte sie vor sich hin: »Ich muss die Duchessa selbst hierher bekommen.«
Als Sky das nächste Mal in Giglia eintraf, fand er Sulien lächelnd vor. »Was ist geschehen?«, wollte er wissen.
»Verstärkung«, sagte Sulien geheimnisvoll. »Kannst du morgen ein bisschen län
ger bleiben? Das würde bedeuten, dass du in deiner Welt den ganzen Morgen lang schläfst.«
Sky überlegte. Das würde sich wohl machen lassen. Rosalind hatte am nächsten Morgen einen Kunden, den ersten seit ewigen Zeiten, und danach hatte sie sich mit Laura zum Mittagessen verabredet, die immer noch im Unterhaus arbeitete.
Es würde ein Leichtes sein, am Abend zu sagen, dass er ausschlafen wolle.
»Ich denke schon«, erwiderte er daher. »Warum?«
»Herzog Niccolò will, dass wir zum Abendessen zu ihm in den Palast kommen«, sagte Sulien. »Ich glaube, er will sich bei uns dafür bedanken, dass wir ihm das Leben gerettet haben. Und er hat noch ein paar bedeutende Gäste.«
Aber mehr wollte er nicht verraten, sosehr Sky ihn auch drängte.
»Heute brauche ich deine Hilfe im Laboratorium«, sagte der Mönch. »Wir machen Parfüm aus Narzissenblüten.«
Die Duchessa von Bellezza hatte gute Freunde zu Besuch, als der Bote aus Giglia eintraf. Doktor Dethridge und seine Frau Leonora, die Arianna für ihre Tante gehalten hatte, solange sie aufwuchs, waren mit Leonoras guter Freundin Silvia Bellini, Ariannas Mutter, zu Besuch. Wie oft hatte die ehemalige Duchessa, die jetzt verkleidet auftrat, in diesem Empfangszimmer gesessen und wichtige aus
wärtige Gäste empfangen. Doch Silvia Bellini vermisste die Tage der Staatsemp
fänge und der prächtigen Kleider nicht. Befreit von ihrer Maske, erfreute sie sich einer Unabhängigkeit, auf die sie fünfundzwanzig Jahre lang verzichtet hatte. Nur diese kleine Gruppe und weniger als ein Dutzend anderer Menschen wussten, das die alte Duchessa noch am Leben war.
Unbeschwert tranken die Gäste den weißen, schäumenden Wein, für den die Stadt so berühmt war, und erzählten sich Neuigkeiten. Silvias steter Begleiter, ein großer rothaariger Diener, hielt sich hinter ihrem Platz auf.
»Er will dir ein Kleid schenken?«, sagte Silvia gerade, als der Bote hereingeführt wurde. »Mir hat er nie eins geschickt.«
Guido Parola hüstelte bei ihren letzten Worten, damit der Palastdiener sie nicht mitbekam. Silvia wurde leichtsinnig. Der Bote, der hereingeführt wurde, trug eine längliche Kiste. Er verbeugte sich, so gut es ging, dann überreichte er die Kiste der jungen Duchessa.
»Mit den Empfehlungen meines Herrn, des Herzogs von Giglia«, sagte er. »Seine Gnaden, Herzog Niccolò, bittet Euch, dies unwürdige Gewand bei den bevorste
henden Vermählungen seiner Söhne zu tragen.«
Erschrocken zog Arianna die Brauen hoch, sodass sie über ihrer rosenfarbenen Maske zu sehen waren. So schnell?, dachte sie. Doch höflich bedankte sie sich bei dem Boten und bat ihn sich bei den Bediensteten eine Erfrischung zu gönnen, während ihre Zofe Barbara die Kiste in Empfang nahm. Die Gruppe der Anwe
senden war voller Erwartung.
»Soll ich sie öffnen, Euer Gnaden?«, fragte Barbara.
Die Silberkordel mit den Quasten wurde gelöst und der Deckel abgehoben. Ari
anna musste an sich halten, um nicht niederzuknien und selbst in dem Seiden
papier zu wühlen. Barbara hob das Kleid ehrfürchtig heraus; es war sehr schwer.
»Oh, Euer Gnaden!«, flüsterte sie.
Es war ein außergewöhnliches Gewand. Der Stoff war steifer Silberbrokat, der jedoch fast nicht sichtbar war unter den Edelsteinen, die darauf gestickt waren.
Der weite Rock war kreuz und quer mit Reihen von Perlen und Amethysten be
setzt und leuchtete wie der Mond in der Dämmerung. Das Mieder war anliegend und der Ausschnitt tief und viereckig, die Ansätze der Ärmel hoch aufgebauscht, wie es in Giglia üblich war.
»Es ist wunderschön«, sagte Leonora.
»Die edlen Steine harmonieren mit deinen Augen«, stimmte Dethridge zu.
»Sitzen kannst du darin nicht«, stellte Silvia
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