Stadt der Blumen strava3
Schließlich hatte er sich, fest in seinen abgetragenen Umhang gehüllt, in einer Ecke des Laboratoriums zusammengerollt; Fratello schlief zu seinen Füßen. Dort fand ihn Sulien, nachdem Sky zurückgereist war.
Bruder Sulien deckte den Jungen mit seiner eigenen dicken schwarzen Kutte zu und er weckte ihn weder sofort noch am frühen Morgen, als er selbst aufstand, um durch das Labyrinth zu gehen. Sandro rührte sich erst, als der Mönch aus der Kirche zurückkehrte.
»Frühstück?«, fragte Sulien und nahm den Jungen mit ins Refektorium, wo es Haferbrei mit Honig und Milch gab. Die Milch war noch warm, weil sie direkt von den klostereigenen Ziegen kam. Fratello wurde in den Hof verbannt, doch Sandro erbettelte ihm einen Knochen von Bruder Tullio.
Erst als die beiden ihren Appetit gestillt hatten, unterhielten sie sich.
»Du scheinst ja gewissermaßen hier eingezogen zu sein«, bemerkte Sulien beiläufig.
»Nur für eine Nacht«, sagte Sandro. »Ich muss mich sowieso wieder vor dem Nucci-Palast einfinden, deshalb dachte ich, warum nach Hause gehen?«
»Wo ist denn dein Zuhause?«, fragte Sulien.
Sandro zuckte mit den Schultern. »Hab eigentlich keines. Keine Familie wenigstens. Nur eine Unterkunft. In der Nähe, wo Ihr gestern Abend wart.«
»Ich weiß, dass dich das Waisenhaus in der Nähe des Doms gefunden hat«, sagte Sulien. »Hat man eigentlich nie nach deiner Mutter gesucht?«
»Nicht dass ich wüsste«, sagte Sandro. »Sie war wahrscheinlich froh mich los zu sein. Ich vermute, dass sie ein unverheiratetes Mädchen war – oder vielleicht auch eine Hure.«
»Das macht dir wohl immer noch zu schaffen«, bemerkte Sulien. »Komm mit mir. Ich möchte dir gern etwas zeigen, wenn du nicht auf der Stelle auf deinen Posten musst.«
Sie holten Fratello und gingen in Richtung Dom, bogen jedoch vorher zu einem kleinen Platz namens Limbo ab. Er war still und verlassen und in einer Ecke stand eine winzige, alte Kirche. Davor befand sich ein kleiner Friedhof mit vielen kleinen weißen Steinen.
»Weißt du, was das hier ist?«, fragte Sulien.
»Ja, da begraben sie die Säuglinge.«
»Die ungetauften, deren Seelen im Limbus sind – in Wartestellung sozusagen.«
Sulien nickte zustimmend. »Sie sind entweder tot geboren worden oder zu schnell nach der Geburt gestorben, um einen Namen zu erhalten und in den Schoß der Kirche aufgenommen zu werden.«
»Was wollt Ihr mir damit sagen?«, fragte Sandro.
»Es gibt Leben, die schlimm anfangen, wie deines, und es gibt Leben, die gar nicht anfangen, wie die dieser unschuldigen Kinder. Aber wir befinden uns alle in so einer Art Wartestellung, es sei denn, wir beschließen unser Leben richtig anfangen zu lassen, damit es uns irgendwo hinführt.«
»Ich muss jetzt zu den Nucci«, sagte Sandro. Doch Sulien hatte ihn nachdenklich gemacht.
»Das glaube ich einfach nicht«, sagte Georgia kategorisch. »Wenn sie Gaetano schon nicht haben wollte, der ja wirklich nett ist, dann wird sie auch den Herzog nicht nehmen. Arianna hasst die Chimici – und ihn vor allem.« Aber indem sie das sagte, dachte ein kleiner grüner Teufel, der sich in ihrem Gehirn festgesetzt hatte: Wenn Arianna den Herzog nun doch heiraten würde, wäre sie für immer unerreichbar für Lucien.
»Das weiß ich«, sagte Sky. »Aber Rodolfo scheint der Ansicht zu sein, dass sie ihn nicht abweisen kann. Und er ernennt sich jetzt zum Großherzog, was immer das bedeuten mag.«
»Es bedeutet, dass meine Familie in Tuschia noch wichtiger wird«, sagte Nicholas steif.
Sie waren in Skys Zimmer und besprachen seinen letzten Besuch in Talia.
»Es tut mir Leid, Nick«, sagte Georgia, »aber du musst aufhören, sie als deine Familie anzusehen. Vicky und David sind jetzt deine Familie, nicht die Chimici, und ich kann nicht jedes Mal wie auf Samtpfoten um deine Gefühle herumschleichen, wenn wir von ihnen reden. Du weißt doch, wozu dein Vater fähig ist.«
»Ich kann nicht einfach aufhören an meine Familie in Talia zu denken, nur weil ich nicht mehr dorthin kann«, sagte Nicholas und starrte Georgia an, bis sie rot wurde. »Wie auch immer – es geht jetzt doch um Folgendes«, sagte Sky geduldig. »Es gibt zusätzlichen Ärger. Lucien wird sie nicht kampflos aufgeben – wortwörtlich. Gestern hat ihn Rodolfo noch zurückhalten können, aber das hält nicht lange an. Arianna kommt bald in die Stadt, um für die Bildhauerin Giuditta Modell zu sitzen, und dann wird sich die Lage zuspitzen.«
»Was hält Gaetano
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