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Stadt der Blumen strava3

Stadt der Blumen strava3

Titel: Stadt der Blumen strava3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: hoffman
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Santa-Maria-im-Weingarten vorstellte, machte das ja wohl nicht viel aus.
    Niemand hatte Sandro jemals Geschichten erzählt. Die Nonnen im Waisenhaus waren zu beschäftigt gewesen; sie hatten ihm den Katechismus beigebracht, sodass er die Worte nachsagen konnte, aber er hatte nie verstanden, worum es da ging. Oder dass es mit etwas zusammenhing, worüber es Geschichten gab.
    Wenn ihm Sulien einen Buchstaben beigebracht hatte, zeigte er ihm, wo man ihn auf seinen Töpfen und Gefäßen finden konnte. Und wenn Sandros Augen vor lauter Buchstaben ermüdeten, dann nahm er ihn mit in die Kirche und erzählte ihm Geschichten.
    Dort gab es zum Beispiel ein Wandbild, das einen Mann zeigte, der an ein Holzkreuz genagelt worden war. Über dem Mann schwebte sein Vater und zwischen den beiden war eine Taube. Das Bild war traurig, aber Sandro fand, dass es dem rothaarigen Mann am Kreuz irgendwie ein Trost gewesen sein musste, die beiden bei sich zu haben, während er litt.
    »Es ist nicht nur sein Trost«, sagte Bruder Sulien, »sondern Trost für uns alle.
    Denn du musst wissen, dieser Vater ist auch deiner und meiner.«
    »Ach was«, sagte Sandro. »Ich habe keinen Vater – das wisst Ihr doch.«
    »Den dort hast auch du«, sagte Sulien. »Wir alle haben ihn. Und er hat das Leben seines eigenen Sohnes für uns hingegeben.«
    »Für mich nicht«, beharrte Sandro.
    »Doch, selbst für dich.«
    Dann gingen sie und betrachteten etwas Erbaulicheres, wie die Fresken in der Marienkapelle, auf der das Wunder dargestellt war, das dem Schutzpatron der Kirche widerfahren war. Der erste Alfonso di Chimici war eines Tages, als er bereits ein reicher Hersteller von Düften gewesen war, während einer Messe krank geworden und man hatte ihn dorthin getragen, wo heute der Pfleghof war. Die Mönche hatten nicht gewusst, wie sie ihm helfen sollten, doch dem damaligen Apothekermönch war die Jungfrau erschienen und hatte ihm geraten die unreifen, jungen Trauben aus dem klösterlichen Weingarten zu verabreichen. Innerhalb weniger Tage war Alfonso geheilt und spendete der Kirche eine große Summe Geldes, um den Pfleghof zu bauen.
    Sandro gefiel die Geschichte, denn es ging um einen Mönch, der einen Chimici heilte. »Genau wie bei Euch und dem Herzog«, sagte er zu Sulien. Und die Geschichte hatte ein gutes Ende – im Gegensatz zu den meisten Geschichten über die Chimici.

    Als Sky schließlich in Suliens Zelle eintraf, seufzte er auf vor Erleichterung. Der Mönch war nicht da; der Raum war still und ruhig und Sky blieb ein paar Minuten auf dem Lager liegen und wartete, bis sein Puls langsamer ging. Er streckte die Glieder in seiner Mönchskutte und fand sich langsam in seine giglianische Rolle hinein. Bruder Tino. Ein junger Mann ohne Familie, Geschichte oder Verpflichtun
    gen. Plötzlich hatte er einen Bärenhunger und sprang auf, um zum Refektorium zu gehen.
    Dort fand er sowohl Sulien als auch Sandro. Sie machten sich her über Schüsseln mit schaumiger, warmer Zimtmilch und frisch gebackene Brötchen.
    »Ah, Bruder Tino, komm herein und leiste uns Gesellschaft«, rief Sulien und rückte auf der Bank beiseite. Die meisten anderen Mönche hatten ihre Mahlzeit beendet, es gab also genug Platz.
    »Was gibt’s Neues?«, fragte Sky und goss sich etwas Milch aus einem Tonkrug ein.
    »Niccolò di Chimici hat uns einen Bauernhof geschenkt«, berichtete Sulien.
    »Tatsächlich? Warum?«, fragte Sky.
    »Weil wir sein Leben gerettet haben«, erwiderte Sulien. »Prinz Luca hat mir die Übertragungsurkunde gesandt. Es ist nur ein kleines Anwesen auf der anderen Seite des Argento, aber Bruder Tullio ist erfreut, denn nun kann er mehr Gemüse anbauen.«
    Wow, dachte Sky. So reich zu sein, dass man zum Dank einfach einen Hof ver
    schenken konnte!
    »Und die Duchessa ist angekommen«, berichtete Sandro, der schon darauf brannte, sein Wissen kundzutun. »Ich hab sie gesehen.«
    »Wie ist sie?«, fragte Sky.
    Sandro zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Sie trägt ja eine Maske.
    Aber sie hat eine hübsche Figur und eine Masse Haar.«
    »Du wirst sie selbst sehen, Tino«, sagte Sulien. »Wir sind zu einem morgendli
    chen Umtrunk in die bellezzanische Gesandtschaft eingeladen. Iss nicht zu viele Brötchen, es gibt dort bestimmt noch etwas.«
    »Aber ›wir‹ schließt mich nicht ein«, sagte Sandro und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. »Ich bin nicht gesittet genug. Bis später also.«
    Rodolfo erwartete sie, als sie in der Gesandtschaft eintrafen.

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