Stadt der Blumen strava3
hinfahren.« Rosalind konnte nicht ganz unbefangen zustimmen. Das hätte geklungen, als ob sie ständig etwas für ihren Sohn tun würde, aber eigentlich war es ja umgekehrt. »Also, was ist?«, sagte Nicholas zu Sky und Alice. »Wenn ihr Turteltauben euch mal trennen könnt, dann könnten Sky und ich ein bisschen fechten.«
Georgia überließ sie großzügig sich selbst und ging, um sich mit Alice zu unterhalten, und endlich konnten die beiden Jungen über Giglia reden.
»Ich war letzte Nacht nicht dort«, berichtete Sky. »Und hoffentlich klappt es überhaupt, dass ich von meiner Großmutter aus reise. Heute Nacht versuche ich es.«
»Georgia konnte von hier nach Remora reisen«, sagte Nicholas. »Was war bei deinem letzten Besuch los?«
»Nicht viel«, erwiderte Sky. »Ich hab den Palast der Nucci angeschaut. Er ist riesig.«
»Die Nucci?«, fragte Nicholas. »Die haben doch einen Palast bei Santa-Maria-im-Weingarten, oder? Den mit dem Turm?«
»Stimmt. Aber sie ziehen demnächst in einen protzigen, neuen Palast auf dem anderen Flussufer. Ich glaube, der Herzog ist nicht sehr erfreut darüber.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Nicholas. »Er meint nämlich. Protz ist nur sein Vorrecht.«
Nicholas hielt bereits das Florett in der Hand, machte jedoch keine Anstalten, zu fechten. Er war zu sehr in Gedanken versunken.
»Wie komme ich nur hin?«, fragte er. »Ich muss einfach selbst sehen, was dort vor sich geht.«
»Aber würde man dich nicht erkennen?«, fragte Sky zurück. »Selbst wenn es mit den Talismanen klappen sollte?«
»Ich lass mir einen Bart wachsen!«, schlug Nicholas vor.
Sie mussten beide lachen. »Dann fang mal lieber gleich an«, sagte Sky. »Rasierst du dich überhaupt schon?«
»Dafür verdresche ich dir den Hintern!«, sagte Nicholas. »En garde!«
Die Statue der Duchessa war fertig bis auf die Hände und das Gesicht. Sie stand in Giudittas Atelier und sah wie ein Vogel aus, der zum Abflug bereit ist. Der marmorne Umhang und die Haare flatterten in unsichtbarem Wind nach hinten.
»Sie ist herrlich geworden«, sagte Arianna. Sie trug einen grauen Samtumhang mit einer Kapuze, die sie bis zu dem maskierten Gesicht gezogen hatte, und wurde von Barbara und zwei Leibwächtern begleitet. Der engelsgleiche Lehrling Franco sah Barbara bewundernd an und ließ sich von den beiden bewaffneten Bellezzanern nicht aus der Ruhe bringen.
»Ein Gesicht mit einer Maske habe ich noch nie nachgebildet«, sagte Giuditta.
»Es ist ja schade«, bemerkte Arianna, »aber so muss ich eben aussehen, bei ei
ner öffentlich zur Schau gestellten Statue.«
»Trotzdem würde ich gerne Euer Gesicht sehen«, sagte die Bildhauerin. »Es wäre hilfreich, wenn ich wüsste, was ich verstecken muss.«
»Dann müssen alle anderen wegsehen«, sagte Arianna. »Meine Wachen kennen schließlich den Preis dafür und würden ihn eintreiben.«
Giuditta gab Anweisungen und ihre Lehrlinge wandten sich ab, bewacht von Bar
bara und den Leibwächtern. Arianna löste ihre Maske und Giuditta betrachtete ihr Gesicht lange und machte schnell ein paar Skizzen mit ihrem Kohlestift. Zwanzig Minuten ging sie um die Duchessa herum und zeichnete ihr Gesicht aus mehre
ren Winkeln.
Schließlich meinte sie: »Es reicht für heute. Ich danke Euch, Euer Gnaden.«
Arianna hatte das Gefühl, entlassen zu sein. Sie merkte, dass Giuditta darauf brannte, an ihre Arbeit zurückzukehren. Sie band die Maske um und zog den Umhang über. Die Anspannung in der Werkstatt verflog und sie war sich sicher, dass einer der Lehrlinge ihrer Zofe zugezwinkert hatte.
Als sie gegangen war, kam Franco herbei und sah die Skizzen an.
»Es kann doch nicht verboten sein, wenigstens eine Zeichnung von ihrem Gesicht anzuschauen«, sagte er und die anderen Lehrlinge scharten sich um ihn.
»Sie ist tatsächlich so schön, wie alle behaupten«, sagte einer.
»Sie sieht ganz gut aus«, meinte Franco. »Aber mir gefällt die Zofe besser.«
»Woher willst du das wissen? Sie war doch auch maskiert.«
Giuditta jedoch kümmerte sich nicht um ihr Geplänkel, sondern konzentrierte sich auf den Rohentwurf, den sie vom Kopf der Duchessa machte. Das lenkte sie sogar von der anderen Sache ab, die zu erledigen sie sich bereit erklärt hatte.
Kapitel 14
Wandbilder
Mit einiger Beklommenheit nahm Sky den blauen Glasflakon in die Hand. Die Nacht zuvor war er nicht gereist – das erste Mal, dass er eine Nacht versäumt hatte, seit sein Abenteuer in Talia begonnen hatte.
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