Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
streichelte meinen Arm. »Ahhh. Also willst du mich doch?«
»Vielleicht ein kleines bisschen.«
Er lächelte.
»Aber ich werde dennoch nicht mit dir schlafen.«
»Wieso nicht?«
Ich dachte an Saiman, wie er im Schnee getanzt hatte. »Ich habe einen Freund, der seine Gestalt ändern kann. Er kann sich in jeden Körper verwandeln, den man sich nur vorstellen kann. Und er hat mich in sein Bett eingeladen.«
Bran runzelte die Stirn. »Kann er sich auch in ein Mädchen verwandeln?«
»Ja.«
»Na, das würde ich gerne mal sehen.«
Männer blieben doch immer Männer, auch wenn sie im Nebel lebten.
Bran setzte sich auf, nahm den Braten vom Feuer und rammte den Bratspieß in den Boden. Dann säbelte er mit einem Messer herum und bot mir einen halb verkohlten Schenkel an. »Hier. Wenn du mir schon eine Geschichte erzählst, bekommst du auch etwas zu essen. Ich will ja nicht ungastlich erscheinen.«
»Danke.« Ich zupfte einen Fleischfetzen vom Knochen und kaute. Ein süßlicher Nachgeschmack. Kaninchen.
»Was ist das denn bloß mit dir? Willst du jungfräulich bleiben bis zur Ehe?«
Ich lachte schallend los. »Zu spät.«
»Wieso gibst du dich dann nicht deinem Freund hin? Der Mann scheint sich ja ziemlich ins Zeug zu legen. Wie lange ist er denn schon hinter dir her?«
»Seit etwa einem Jahr. Er wechselt ständig den Körper, als wären es Kleidungsstücke, aber in welchem Körper er auch steckt, ich erkenne ihn immer wieder.«
»Du magst ihn nicht sonderlich, hm?«
Ich zuckte die Achseln. »Er spricht mich nicht an. Es hat Zeiten gegeben, da hatte er etwas an sich, das ganz nett gewesen wäre, wenn nicht er es gewesen wäre. Doch letztendlich werde ich immer wieder daran erinnert, dass er sich im Grunde überhaupt nicht für mich interessiert. Wenn ich mich freuen würde, würde er sich nicht mit mir freuen, wenn ich dem Selbstmord nahe wäre, würde ihn das nicht kümmern. Da könnte ich auch genauso gut mit einer aufblasbaren Puppe schlafen. Er ist nur interessiert, weil ich beim ersten Mal Nein gesagt habe.«
»Deshalb sind alle Männer interessiert.«
»Das stimmt. Aber ihm geht es nur um meinen Körper. Normalen Männern geht es irgendwann auch um eine Freundschaft.«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Darum geht es Frauen. Männern geht es nur um Bettsport.«
Ich lächelte. »Weshalb hast du mich dann hier an dein Lagerfeuer eingeladen?«
»Weil ich dachte, dass du es dir dann vielleicht noch anders überlegst.«
»Werde ich nicht.«
»Sagst du.«
»Wann hast du denn das letzte Mal mit einem anderen Menschen hier gesessen und gemeinsam etwas gegessen?«
Er zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht mehr.«
»Dann isst du also immer ganz allein?«
»Was geht dich das an?« Ein leicht feindseliger Unterton schlich sich in seine Stimme.
»Es geht mich nichts an. Ich bin bloß neugierig.«
Er stocherte mit einem Stock in der Glut herum.
Ich hatte aufgegessen und legte mich auf den Rücken, reckte die Füße zum Feuer. Es war ein langer Tag gewesen. Ich hatte Julie verloren und immer noch nicht die leiseste Ahnung, wo ihre Mutter stecken mochte. Immerhin hatte Andrea überlebt.
Ich bemerkte, dass Bran mich beobachtete. Unsere Blicke trafen sich. Er beugte sich über mich, um mich zu küssen, doch ich hielt ihm eine Hand vor den Mund. »Ich will dir nicht zum dritten Mal die Nase brechen. Glaub mir, falls ich es mir anders überlege, wirst du der Erste sein, der davon erfährt.«
Er setzte sich wieder auf, nahm einen Zweig, brach kleine Stücke davon ab und warf sie nacheinander ins Feuer. »Ich verstehe dich nicht. Ich war doch mal so gut darin. Ich konnte so gut mit Frauen. Aber heutzutag e … Du hast so etwas Dreistes an dir.«
Ich runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass ich etwas Dreistes an mir habe.«
»Doch, hast du. Das haben die meisten Frauen heutzutage. Wenn eine Frau früher so neben einem saß und man ihr was zu essen gab, hat sie sich anschließend für einen auf den Rücken gelegt. Da gab es gar kein Vertun. Was soll denn sonst das ganze Theater? Die Frauen heutzutage sind dreist. Sie sitzen neben einem und tragen enge Kleider, aber dann schlafen sie doch nicht mit dir. Sie wollen immer nur reden. Was gibt es denn schon groß zu reden?«
Ich setzte mich auf und schloss die Arme um die Knie. »Bran, du empfindest nichts für mich, nicht wahr? So wie ich nichts für meinen Freund empfinde.«
Er starrte mich an. »Wie kommst du denn auf so was?«
»Nur so. Ich habe so das
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