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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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füllten die Truhe.
    »Oh Gott.«
    Er schwang einen mumifizierten Kopf an einer Locke aus der Truhe und hielt ihn mir stolz hin. »Das sind alles meine.«
    Das war nun wirklich die amtlich abartigste Variante von »Komm mit zu mir nach Hause, ich zeig dir meine Briefmarkensammlung«, die mir je untergekommen war.
    Er riss noch eine weitere Truhe auf. Ich sah eine deutsche Pickelhaube aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und daneben einen Motorradhelm mit einer Flammenlackierung. Wie alt mochte er wohl wirklich sein?
    Die dritte Truhe enthielt Klingen. Ein türkischer Jatagan, ein japanisches Katana, der Degen eines Marineoffiziers mit der Inschrift » Semper Fi « …
    »Das ist noch gar nichts.« Er warf den Kopf wieder in die Truhe, ergriff meine Hand und zog mich zur Hintertür. Sie schwang mit einem Tritt auf, dann zog er mich auf die hintere Veranda.
    Hinter dem Haus erhob sich ein ganzer Hügel von Schädeln. Er ragte, von den Elementen gebleicht, übermannshoch empor, und es steckten Speere darin, die durch Knochen gerammt waren. »Schau!« Er machte eine triumphierende Armbewegung. »Das hättest du nicht gedacht, was? Keiner sonst hat so viele! Mein Vater würde sich nicht mehr einkriegen, wenn er das sehen würde!«
    Ja, vermutlich.
    »Ich bin ein großer Krieger. Ein Held. Jeder dieser Schädel stammt aus einem Kampf, den ich gewonnen habe.« Er strahlte vor Stolz. »Du bist auch eine Kriegerin. Du weißt das zu würdigen, oder?«
    So viele Lebe n … »Wie alt bist du?«, fragte ich leise.
    Er sprang über das Geländer, nahm einen Schädel aus dem Haufen und hielt ihn mir hin. »Das war mein Erster.«
    Auf dem Schädel schwankte ein Römerhelm.
    Ich setzte mich. Das musste ich erst mal verdauen.
    Er setzte sich zu mir. Wir betrachteten die Schädelstätte. Bran ließ den Kopf hängen.
    Ich berührte seinen Unterarm. »Was ist denn?«
    »Niemand wird je davon erfahren. Niemand außer dir wird das je sehen. Niemand wird je wissen, was ich geleistet habe. Wenn ich eines Tages sterbe, wird Morrigan die Einzige sein, die sich an mich und an all das erinnern wird.«
    »Und sie neigt nicht gerade zu Sentimentalitäten, nicht wahr?«, mutmaßte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Es war ein idiotisches Geschäft, das wir beide gemacht haben. Ich habe ihren Vogel gerettet, und dafür durfte ich mir eine Belohnung aussuchen.«
    »Und was hast du dir ausgesucht?«
    »Manche hätten um ein langes Leben gebeten oder um starke Söhne. Ich bat darum, ein Held zu sein. Wein, Weib, Gesang – und einen Kampf nach dem anderen.«
    Die Totenschädel starrten uns aus leeren Augenhöhlen schweigend an.
    »Wenn du um starke Söhne gebeten hättest, hätte sie es so eingerichtet, dass diese Söhne dich letztlich getötet hätten«, gab ich zurück. »Wie man’s macht, macht man’s verkehrt.«
    »Ein schwacher Trost.«
    »Tja.«
    Ich berührte den Römerhelm. Das Metall fühlte sich eiskalt an. »Die Magie war noch gar nicht in der Welt, als diese Helme gebräuchlich waren.«
    »Sie verging gerade«, sagte er. »Es war nur noch ein Rest davon übrig. Ich habe dann sehr lange geschlafen. Und als ich wieder erwachte und durch den Nebel fiel, stand die ganze Welt in Flammen.«
    Der erste Flai r … So viele Menschen waren damals in nur einer Woche ums Leben gekommen.
    »Das kleine Mädchen, Mäuschen nennst du si e … Ich versuche sie zu beschützen und ihre Mutter zu finden. Die Hexen haben zugesagt, mir zu helfen, aber das Orakel braucht dein Blut, um eine der Frauen damit zu heilen. Es wäre sehr gut, wenn sie überleben würde. Sie bedeutet vielen Leuten sehr viel.«
    Er nahm mir den Schädel ab und hielt ihn sich in Augenhöhlenhöhe vors Gesicht. »Was kümmert mich das?«
    »Das Hexenorakel übersteht die Zeiten, die einzelnen Hexen dieses Orakels werden immer wieder geboren. Wenn du ihnen etwas Blut spenden würdest, würden die Hexen dein Andenken in Ehren halten. Auf ewig. Du würdest überdauern. Du wärst ein Held, und du wärst berühmt.«
    Er sah mich an.
    »Es würde dich nichts kosten. Und es würde alles ändern.«

Kapitel 22
    D er Nebel verschwand, und Bran und ich standen mit einem Mal auf dem Steinboden in der Kuppel des Orakels. Teleportation wurde eindeutig überschätzt. Natürlich kam man damit schnell ans Ziel, doch bei diesem schwerelosen Herumschweben im Nebel packte mich der Schwindel. Hinzu kam, dass ich mich währenddessen an Bran festhalten musste, und er konnte natürlich nicht die Finger von mir

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