Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis
schöner Anblick.
»Sie können jetzt gehen«, sagte ich.
Sie floh aus dem Büro. Kurz darauf hörte ich, wie die Tür zum Treppenhaus hinter ihr ins Schloss fiel. Hoffentlich brach sie sich mit ihren Stöckelschuhen auf der Treppe nicht die Beine. Bis ihre Knochen wieder verheilt waren, konnte es durchaus zwei Wochen dauern.
»Darf ich reinkommen?«, fragte Derek.
Ich wies auf meine beiden Besucherstühle. »Weshalb hat Myong solche Angst vor dir?«
Er setzte sich und zuckte die Achseln. »Da kann ich nur Vermutungen anstellen.«
»Dann tu’s.«
»Ich arbeite jetzt direkt für Curran. Sie hat wahrscheinlich Angst, dass ich sie verpfeife, denn ich glaube, ich weiß, weshalb sie hier war.«
»Und? Wirst du?«
Er zuckte erneut die Achseln. »Das ist ihre Privatsache. Solange sie nicht anfängt, dem Rudel zu schaden, interessiert mich das alles nicht im Geringsten. Und es war ja auch sowieso nicht ihre Idee hierherzukommen. Sie ist nämlich eigentlich sehr passiv.«
»Ach ja?«
Er nickte. »Dieser Scheißkerl hat sie dazu angestiftet. Ich wusste ja immer, was das für eine miese Type ist.«
»Soso.« Herzlichen Dank für diesen Kommentar zu meinem »ehemals angehenden« Freund. Wo wäre ich bloß ohne den moralischen Kompass, den mir dieser junge Werwolf bereitwillig anbot?
Derek ließ nicht locker: »Wieso ist er denn nicht selbst gekommen? Sollte er nicht hier sitzen und sagen: ›Hey, mit uns beiden hat es nicht geklappt, aber ich brauche jetzt mal deine Hilfe?‹ Nein, der Typ ist derart selbstgefällig, der schickt lieber seine Verlobte los, damit sie seine Exfreundin anbettelt, die letzten Hindernisse für die Hochzeit aus dem Weg zu räumen. Wie schäbig ist das denn?«
Ziemlich schäbig. »Es reicht. Ich will nichts mehr hören.«
Derek setzte sich ein wenig aufrechter hin. Seine Augen hatten sich vorübergehend verdunkelt. Das war nicht normal.
Ich zog Slayer aus der Scheide und fuhr mit der Fingerspitze an der Klinge entlang. Das beinahe weiße Metall nagte ganz leicht an meiner Haut. Es war eindeutig ein Flair im Anzug. Gestaltwandlern fiel es während eines Flairs schwer, ihre Gefühle im Zaum zu halten. Na toll. Dann sah Curran diese Hochzeitschose ja vermutlich gerade ganz cool.
»Gut siehst du aus«, sagte ich zu Derek.
»Danke.«
»Aber du kommst mich nie besuchen. Hast du Schwierigkeiten?«
»Nein. Ist dieser Raum sicher?«
»Du befindest dich in einem Gebäude des Ordens. Noch sicherer geht es nicht.«
Er griff hinter sich und schloss die Tür. »Ich überbringe dir ein Hilfegesuch des Rudels.«
Ich will nicht mit Curran zusammenarbeiten, ich will nicht mit Curran zusammenarbeiten, ich will nicht mit Curran zusammenarbeiten . »Entschuldige, ich glaube, ich habe mich gerade verhört. Hast du tatsächlich gesagt, dass das Rudel mich um Hilfe bittet?«
»Ja.« Seine Augen funkelten ein wenig. »Wir sind bestohlen worden.«
»Von wem?«
»Da sind wir uns nicht so ganz sicher«, sagte Derek vorsichtig. »Aber du hast jedenfalls einen Armbrustbolzen von ihm auf dem Tisch.«
Ich beugte mich vor. »Erzähl.«
»Sagen wir einfach nur, dass eins unserer Teams heute Morgen von einem Mann überfallen wurde, der genau solche Bolzen verwendet. Er hat etwas gestohlen, das dem Rudel gehört, und wir wollen es wiederhaben.«
»Aha. Und wieso sollte ausgerechnet ich euch dabei helfen können?« Bis dahin war ich davon ausgegangen, dass das Rudel seine Probleme selbst regelte. Ja, meistens gaben sie nicht mal zu, überhaupt ein Problem zu haben.
»Weil du über Kontakte verfügst, über die wir nicht verfügen.« Derek gestattete sich den Anflug eines Lächelns. »Und weil, wenn wir anfangen würden, auf der Suche nach dieser Person die Stadt auf den Kopf zu stellen, gewisse Kreise sich fragen würden, was wohl dahintersteckt, und dann könnten möglicherweise die recht peinlichen Begleitumstände dieses Diebstahls ans Tageslicht kommen. Wir waschen unsere schmutzige Wäsche nun mal nicht gern in der Öffentlichkeit. Und der Orden hat uns stets geholfen, ohne dass allzu viel davon nach draußen gedrungen ist.«
Na toll. Meine Gegenwehr war im Keim erstickt. Greg hatte als einziges Ordensmitglied das Vertrauen des Rudels errungen. Da er nun nicht mehr lebte und ich mir den Status eines Freundes des Rudels erworben hatte, war dieses Vertrauen auf mich übergegangen. Der Orden wollte das Rudel im Blick behalten, so viel wusste ich. Und irgendetwas sagte mir, dass die Ritter des Ordens dieses
Weitere Kostenlose Bücher