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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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meine Mutter.« Ich zog den Reißverschluss des Schlafsacks auf und breitete ihn möglichst flach auf dem Boden aus. Mit den Wehren und Gittern glich meine Wohnung zwar einer kleinen Festung, aber man wusste ja nie. Es war nicht undenkbar, dass jemand hier hereinteleportierte und mich mit Armbrustbolzen spickte, während ich noch damit beschäftigt war, meine Füße aus dem verhedderten Schlafsack zu befreien.
    »Ist sie nett?«
    »Wer?«
    »Deine Mom.«
    Ich hielt inne, eine Afghandecke in Händen. Die Frage versetzte mir einen Stich. »Meine Mom ist gestorben, als ich noch ganz klein war. Mein Dad hat sie geliebt, also muss sie wohl nett gewesen sein.«
    »Dann sind dein Dad und deine Mom beide tot? Du hast gar keine Eltern mehr?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Ganz wie bei mir«, sagte sie kleinlaut.
    Das arme Kind. Ich ging hinüber und setzte mich auf die Bettkante. »Ich weiß, dass meine Mutter tot ist, denn mein Vater hat sie sterben sehen, und ich weiß, dass mein Vater tot ist, denn ich war dabei, als er auf einem Hügel hinter unserem Haus begraben wurde. Ich besuche sein Grab sehr oft. Über deine Mutter aber wissen wir nichts. Ich habe sie jedenfalls nicht tot gesehen. Du?«
    Julie schüttelte den Kopf und vergrub das Gesicht in meinem Kopfkissen.
    »Na siehst du. Keine Leiche, kein Beweis, dass sie tot ist. Vielleicht hat dieser Idiot von Bran sie irgendwie an den Stadtrand teleportiert, und jetzt ist sie immer noch zu Fuß auf dem Weg nach Hause. Oder vielleicht ist sie schon da. Wir müssen einfach weiter nach ihr suchen.«
    Julie gab ein trauriges Maunzen von sich.
    Und was jetzt ?
    Ich nahm sie mitsamt Kissen und Decke und drückte sie fest an mich. Sie schniefte. »Das Volk hat sie bestimmt schon längst in einen Vampir verwandelt.«
    Ich strich ihr übers Haar. »Nein, Julie. Das Volk schnappt sich nicht einfach so Frauen von der Straße und verwandelt sie in Vampire. Das wäre illegal. Wenn sie mit so was anfangen würden, würden die Polizei und das Militär kurzen Prozess mit ihnen machen. Sie müssen für jeden einzelnen Vampir Rechenschaft ablegen, und sie wollen dafür nur ganz bestimmte Leute. Mach dir keine Sorgen, deine Mutter ist kein Vampir.«
    »Und wenn sie doch einer ist?«
    Dann gehe ich ins Casino und mache kurzen Prozess. »Sie ist keiner. Wenn du willst, rufe ich morgen beim Volk an und kläre das.«
    »Und was ist, wenn sie dich anlügen?«
    Dieses Kind hatte ja einen regelrechten Vampirkomplex. »Du musst bedenken, dass Vampire hirnlose Wesen sind, wie Kakerlaken. Sie sind weiter nichts als Vehikel für die Herren der Toten. Wenn du so einen Blutsauger siehst, und er reißt nicht gleich alle Anwesenden in Stücke, liegt das daran, dass ein ganz normaler Mensch diesen Vampir lenkt. Und dieser Mensch hat auch eine Familie, hat wahrscheinlich Kinder, süße kleine Herren-der-Toten-Babys.«
    Sie wischte sich eine Träne fort und lächelte zaghaft.
    »Das Volk hat Dutzende Vampire. Die müssen dazu niemanden verschleppen. Die Liste der Bewerber ist ellenlang.«
    »Wieso sollte irgendjemand ein Vampir werden wollen?«
    »Da geht’s um Geld. Stell dir vor, jemand hat eine unheilbare Krankheit. Der Vampirismus entsteht durch eine bakterielle Infektion, die den Körper des Befallenen so verändert, dass die meisten dieser Krankheiten dem dabei entstehenden Vampirorganismus nichts anhaben können. Mit anderen Worten: Wenn man Darmkrebs hat, ist das völlig egal, denn der Darm schrumpft bei neuen Untoten binnen eines Monats sowieso auf Bindfadengröße zusammen. Dann bewirbt man sich also, ein Vampir zu werden. Und wenn man genommen wird, unterschreibt man einen Vertrag, der das Volk berechtigt, einen mit dem Vampirus immortuus zu infizieren. Man lässt sich im Grunde vom Volk töten und gestattet dem Volk, die Leiche anschließend weiter zu verwenden. Dafür zahlt das Volk denjenigen, die man als Begünstigte einsetzt, eine bestimmte Summe. Viele arme Leute halten das für eine gute Möglichkeit, ihrer Familie ein bisschen Geld zu hinterlassen. Das ganze Prozedere dauert eine Woche, und es müssen jede Menge Formulare ausgefüllt werden, bis man schließlich zum Vampir wird, und der ganze Vorgang wird der State Undeath Commission gemeldet. Einen Menschen gegen seinen Willen in einen Vampir zu verwandeln wäre illegal, und wegen nur eines einzigen Vampirs würden die Leute vom Volk nichts tun, weswegen sie im Knast landen könnten. Hör mal, wieso erzählst du mir nicht ein bisschen was

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