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Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis

Titel: Stadt der Finsternis - Andrews, I: Stadt der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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»Lecker!«, verkündete sie mit vollem Mund.
    Ich hatte kaum meinen ersten Maiskolben abgenagt, da klopfte es an der Tür. Ich lugte durch den Spion. Es war Red.
    Ich öffnete. Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Essen?«
    Kate Daniels, todesmutige Schwertkämpferin und Retterin hungriger Waisenkinder. »Komm rein. Wasch dir die Hände.«
    Julie kam aus der Küche und schlang die Arme um ihn. Red versteifte sich und legte ihr eine Hand um die Taille.
    Ihr Gesicht über seiner Schulter nahm einen verträumten Ausdruck an. Das Verschwinden ihrer Mutter musste sie schwer getroffen haben, aber wenn sie Red verloren hätte, hätte ihr das den Rest gegeben.
    »Du hast mir gefehlt!«, hauchte sie.
    »Ja«, erwiderte er mit ausdrucksloser Miene. »Du mir auch.«
    Zwanzig Minuten später hatte ich zwei satte Kinder und nichts mehr zu essen. Das bedeutete, dass ich am nächsten Tag etwas kochen musste. Super!
    »Und jetzt unterhalten wir uns mal ein wenig.« Ich heftete Red mit einem Blick an seinen Stuhl. Wenn die Lage es erforderte, konnte ich sehr überzeugend die gemeingefährliche Geistesgestörte mimen. Seltsamerweise sanken die meisten meiner Widersacher bei diesem Blick nicht ohnmächtig zu Boden, doch Red war jung und daran gewöhnt, untergebuttert zu werden. Er erstarrte. Es machte mir keinen Spaß, Straßenkinder einzuschüchtern, aber ich hatte so ein Gefühl, dass er, wenn ich es lieb und nett angegangen wäre, bei der erstbesten Gelegenheit Reißaus genommen hätte. »Was weißt du über diesen Hexenzirkel?«
    »Nichts.«
    »Du hast Julie zu ihrem Treffpunkt mitgenommen. Woher wusstest du, wo der ist?«
    »Ich habe nicht gepetzt! Ich schwör’s dir!«, sagte Julie und erbleichte ein wenig.
    Red hielt seinen Blick auf mich gerichtet. »Dahin habe ich genau so gefunden wie hierher. Ich hab bei ihr zu Hause ein paar Haare von ihrer Mom aus einer Bürste genommen. Ich hab einen Zauberspruch gesagt und ein bisschen Blut vergossen, und dann haben sie mich dorthin geführt.«
    Julies Mutter musste zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen sein. Schamanenzauber war ans Leben gebunden; einen Toten aufzuspüren erforderte ein ungleich komplizierteres Ritual und eine Art von Macht, die Red wahrscheinlich nicht besaß. Noch nicht.
    »Das erste Mal bist du allein dorthin gegangen.« Es war nur eine Vermutung, aber sein Blick bestätigte es mir. »Was hast du dort gesehen, Red?«
    Seine Finger zuckten. Er wandte sich ein klein wenig nach rechts, wie um diese Seite seines Gesichts vor mir zu verbergen.
    »Lass mich mal sehen, was du da rechts am Hals hast.«
    Er schluckte.
    »Los.«
    Red zeigte es mir. Drei lange Schnittwunden zogen sich von seinem Ohrläppchen bis unter seinen Kragen. Gelber Eiter sickerte unter den roten, geschwollenen Wundrändern hervor.
    Das sah nicht gut aus. Ich beugte mich vor und berührte seine Stirn. Er wich zurück.
    »Halt still, du Hohlkopf.«
    Er hatte Fieber. Ich machte den Kühlschrank auf und holte einen Tiegel Rmd3 hervor. Reds Blick huschte zwischen der bräunlichen Paste und mir hin und her.
    »Was ist das?«, fragte Julie.
    »Rmd3. Auch Remedy genannt.«
    »Das ist doch das Zeug, das die Leute vom Volk immer bei sich haben. Das brauche ich nicht.« Red rutschte auf seinem Sitz hin und her.
    Ich sah ihm ins Gesicht und entdeckte dort eine jugendlich-entschlossene Miene. Aber keinerlei Intelligenz. Ich wandte mich an Julie. »Das ist ein Kräuterheilmittel gegen die Entzündung an seinem Hals. Das hier ist die südpazifische Sorte, das Beste, was es gibt. Es heilt die Nekrose, die man von den Untoten bekommt, und hilft gegen alle möglichen fiesen Infekte.« Ich stellte den Tiegel auf den Tisch. Echte Kawawurzel, Persoonia pinifolia und noch ein halbes Dutzend weiterer Inhaltsstoffe. Sehr kostspielig, aber seinen Preis wert.
    »Ich brauche das nicht«, sagte Red noch einmal.
    »Schamanen, die mit Fieber mitten auf der Straße zusammenbrechen, werden nicht sehr alt.«
    »Nimm es, Red«, sagte Julie und schob ihm den Tiegel hin.
    Er starrte es an, als wäre es eine Schlange, schraubte schließlich den Tiegel auf und strich sich etwas von der Paste auf den Hals. Als sie die Wunden berührte, zuckte er zusammen.
    »Was hat dich denn so zerkratzt?«
    »Irgendwelche Wesen«, sagte er. »Sehr seltsam. Und sehr mächtig .«
    Das Wort »mächtig« sprach er voller Respekt, ja, voller Ehrfurcht aus, und es schwang eine gewisse Sehnsucht darin mit. So wie ein Alkoholiker nach langer

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